Zusammenhang der Chemie mit Industrie und Handel.
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hergestellt werden. Man gewann Soda aus Holzasche, und darnach hat sie
ihren Namen erhalten; denn Soda bedeutet „Aschensalz“. Die Soda besteht
aus zwei Hauptteilen, aus Kohlensäure und Natron, und beide sind wiederum
zusammengesetzte Körper. Der erste ist eine chemische Verbindung von
Kohlen- und Sauerstoff, der zweite von Natrium und Sauerstoff.
Von jeher ist die Soda zur Herstellung von Seife und Glas benutzt
worden, und ihr Preis hat also auch Einfluß auf diese Erzeugnisse gehabt.
Nun trug es sich im 17. Jahrhundert zu, daß ein Alchimist, namens Glauber,
mit Kochsalz Versuche anstellte, bei denen auch Schwefelsäure zur Anwendung
kam, und siehe da, es entstand ein neuer Körper, der sich als schwefelsaures
Natron erwies und als „Glaubersalz“*) in der Apotheke zu haben ist. Wenn
man nun dieses Salz unter Zusatz von Kohle mit kohlensaurem Kalk zusammen¬
schmelzt, so erhält man die rohe Soda, die durch Auslaugen mit Wasser ge¬
reinigt wird. Dieses Verfahren hat der Franzose Le Blanc aufgefunden, und
so konnte man nun die Soda statt aus Holzasche aus dem Kochsalz herstellen.
„Nun, das ist ja recht schön und lehrreich; aber wenn man durch
beide Verfahren eben Soda erhält, so ist es am Ende doch nichts anderes,
als wenn ich 10X 1000 oder 1000X10 nehme!“ Wer so denken wollte,
würde gewaltig irren. Es kommt nämlich darauf an, welche Soda wohlfeiler
ist, die aus Holz oder die aus Salz hergestellte, und das ist letztere. Hm
jedoch das Kochsalz in Glaubersalz überzuführen, waren für fünf Gewichts¬
teile Salz vier Gewichtsteile Schwefelsäure erforderlich. Die Folge davon
war, daß die Nachfrage nach Schwefelsäure sich ungemein steigerte und ihre
Herstellung ein sehr gewinnreicher Erwerbszweig wurde. Von Jahr zu Jahr
verfiel man indessen auf einfachere und daher wohlfeilere Herstellungswege.
Mit jeder neuen Verbesserung fiel der Preis der Schwefelsäure; aber ihr
Absatz nahm in dem nämlichen Verhältnis zu, und so kamen Verkäufer und
Käufer (Produzenten und Konsumenten) auf ihre Rechnung.
2. Auf den Preis der Schwefelsäure hatte früher neben dem Schwefel
der zu ihrer Herstellung unentbehrliche Salpeter Einfluß. Man brauchte
freilich auf 10 Zentner Schwefel nur einen Zentner Salpeter**); allein letzterer
war viermal so teuer wie Schwefel. Auch dies änderte sich. Reisende hatten
in Peru mächtige Salzauswitterungen entdeckt, als deren Hauptbestandteil sich
salpetersaures Natron herausstellte. Da sich die Vorräte dieses kostbaren
Salzes als unerschöpflich erwiesen, so bemächtigte sich seiner alsbald der
weltumspannende Handel. Der Natronsalpeter, auch Chilisalpeter genannt,
wurde halb so teuer nach Europa geschafft als der indische Kalisalpeter
und dann hier in Kalisalpeter umgewandelt. Da man nun letzteren auch zur
Herstellung von Pulver verwendet, so kann man sich denken, daß auch
die Pulverfabrikation von jenem Wandel der Dinge berührt wurde.
*) findet sich in einigen Mineralwässern und im Meerwasser, sowie in den
meisten balzsolen vor und wird auch bei der Herstellung des Glases verwandt.
Glauber (1604—1668) lebte in Amsterdam.
**) Salpetersaures Kali, kurz Salpeter genannt, ist eine Verbindung von Sal¬
petersäure und Kali. Erstere besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, letztere aus
Sauerstoff und Kalium.
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