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waren ober bie Musik nur vom Hörensagen kannten. Sie ließen sich's
wohl fein, wenn unvermutet ein ,Tischchen beck bich!‘ für sie bereit ge¬
halten würbe; wenn ber berühmte Golbesel bes Märchens einige Heller
für sie übrig hatte ober ein rnitleibiges Herz mit ein paar abgetragenen
Kleibungsstücken ihre Blöße beckte. Dafür würben sie treue Hüter
manch’ alten Schatzes, ber in Siebern, namentlich Volksliebern unb
Reien zur Zeit ber Minnebichter niebergelegt war. Im Elsaß hatten
sie ein Pfeiferkönigreich errichtet, bessen Schutzherr ber Herr vou
Rappoltstein war. In Rappoltstein, ber Hauptstabt bieses wunbersamen
Reiches, bas ben obern unb ben untern Elsaß zwischen Rhein unb Ge-
birg vom Hauenstein bis zum Hagenower Forst umfaßte, befanb sich
auch bas Pfeifergericht, bas bie Rechtshänbel ber Vereinigung schlichtete.
Dorthin strömten bie Scharen ber Pfeifer zum großen Jahresfeste, bas
am Sonntage nach Mariä Geburt (im September) gefeiert würbe. Wer
nicht zur Genossenschaft gehörte, ber Kaiser Friebrich III. Brief unb
Siegel verliehen hatte, warb zum Spielen auf Jahrmärkten, in Schenken,
bei Kirchweihen, Hochzeiten u. f. w. nicht zugelassen. Kein Pfeifer ver¬
säumte buh er ohne Not bas Fest, ba er nur bei biefer Gelegenheit
feine Jahresmarke lösen konnte.unb bamit feine Zugehörigkeit zum
Königreich bewies. Wer fehlen mußte, sollte sich in glaubhafter Weife
entfchulbigen lassen unb seine Beiträge einfenben. Zum Beginn bes
Pfeifertages ernannte bie Herrschaft zu Rappoltstein ben Pfeiferkönig,
ben bie vergolbete Krone schmückte. Ihm warb mit Pauken unb Trom¬
peten bas Zunftbanner vorangetragen. Hinter bem König folgten bie
Schössen bes Pfeifergerichts in ihrer Amtstracht, bene» sich bie Spiel¬
leute, paarweise georbnet, anschlössen. Unter Glockengeläute waubte sich
ber stattliche Zug bem Thale zu, in welchem bie Kapelle mit bem
wunberthatigen Marienbilb, ber Mutter Gottes von Dusenbach, stanb.
Sie war bie Schutzpatronin ber Pfeifer, unb Siegel unb Marke ber
Zunft zeigten ihr Bilb. Hier beichteten unb opferten bie lustigen Brüber
unb hielten zu Ehren ber Heiligen bie große musikalische Messe, bei
welcher ein jeber ans seinem Instrument nach Kunst unb Laune mit¬
wirkte. Nach beenbigtem Gottesbienst warb ber ,Herrschaft im König¬
reich' bie gebiihrenbe Hulbigung erwiesen, unb bann ging ber Zug zur
,Sonne', ber Zunftherberge, wo man mit Sang unb Klang, mit Tanz
unb Trubel unb festlichem Gelag ben frohen Tag beschloß.
Währenb bie geschilberten Feste weite Kreise bes Volkes ergriffen unb
in ihren Strubel zogen, beschränkten sich bie Familien- unb häuslichen
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So«
milien-
feste.