Full text: Das Alterthum (Bd. 1, [Schülerband])

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wachten. ~– O althenisscher Fremdling , rief jetzt Crösus unwillig, 
achtest du mein Glück für so gering, daß du mich nicht einmal ge 
meinen Bürgern gleich stellst? Solon erwiederte, daß Niemand vor 
seinem Ende glücklich zu preisen sei. 
Crösus kam nun in die Lage, die Wahrheit dieses Satzes an 
sich zu erproben, denn er wurde von Cyrus in der Entscheidungs- 
schlacht bei Sar des geschlagen (649) und geriet in Gefangenschaft. 
Der Sieger verurtheilte ihn zum Feuertode, und Crösus mußte den 
Scheiterhaufen besteigen. So unmittelbar vor dem Tode stehend 
rief er, überwältigt von Trauer, aus : O Solon, Solon ! Cyrus, 
neugierig zu wissen, was der Ausruf bedeute, ließ den Crösus vom 
Scheiterhaufen herab vor sich kommen und verlangte von ihm nähere 
Kunde. Der besiegte König erzählte nun, welche Unterredung er mit 
Solon gehabt. Gerührt und nachdenklich gemacht durch das Mit- 
getheilte schenkte Cyrus dem Gefangenen das Leben und behandelte ihn 
fortan ehrenvoll. 
[Babylons Fall.] Nun stand dem Cyrus noch ein mächtiges 
Reich entgegen, das von Babylon, dessen Beherrscher vor nicht 
langer Zeit die Stelle in Asien eingenommen, nach der Cyrus sich 
sehnte. Im Kriege , der zwischen den Persern und Babyloniern 
ausbrach, siegte Cyrus in offener Feldschlacht und versuchte darauf 
die Belagerung von Babylon. Durch die Ableitung des Euphrats 
gelang es ihm, in die Stadt zu dringen und die überraschten Ein- 
wohner zur Unterwerfung zu zwingen (538). Babylon, ehedem die 
prachtvollste Stadt Asiens, begann seitdem zu veröden ; von den 365 
Stadien *), die es früher im Umfange maß, war bald nur ein Umkreis 
von 19 bewohnt; die Einwohnerzahl nahm zusehends ab und die 
prophetischen Worte des Jesaias, daß Schakale in den Palästen und 
Waldthiere in den Lustgebäuden Babylons hausen würden, gingen 
buchstäblich in Erfüllung, nicht einmal der Name blieb den Trüm- 
mern der Riesenstadt. 
[Tod des Cyrus.] Die Nachrichten über die letzten Schicksale 
des Cyrus lauten verschieden. Nachdem er sein Reich noch durch 
mehrere glückliche Eroberungen vergrößert hatte , soll er die Unter- 
werfung der Mass ageten versucht haben, dabei aber im Kampfe 
gegen die Königin derselben, Tomyris, gefallen sein. Das Haupt 
des Getödteten habe die Königin in einen mit Menschenblut gefüllten 
Schlauch getaucht, indem sie sprach: „Nun ssättige dich am Blut, 
%) Man rechnet 40 griechische Stadien auf eine geographische Meile.
	        
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