§ 37. Der Athenische Staat und die Verfassung des Solon. 59
Sie hatte die Entscheidung über die höchsten Staatsangelegenheiten, nament¬
lich über Gesetze und über Krieg und Frieden; sie wählte auch die Beamten und
die Mitglieder des Rates, welche Befugnis bisher der Areopag geübt hatte.
d) Der Rat des Areop ägs, der als oberster Gerichtshof (über Mord
und Brandstiftung) bestehen blieb und nur aus vormaligen Archonten
zusammengesetzt war.
e) Die Geschwornengerichte, deren Mitglieder, Heliasten geheißen,
aus der Bürgergemeinde durchs Los gewählt wurden.
Den Richterbeamten stand nur mehr die Leitung der Prozesse zu, während die
Geschwornen oder Schöffen das Urteil fällten. Der Angeklagte konnte sich der
gerichtlichen Verfolgung durch die Flucht entziehen.
3. Sonstige Gesetze und Einrichtungen. Neben der Verfassung
des Staates ordnete Solon zugleich die bürgerlichen und strafrechtlichen
Gesetze. Dieselben waren fürderhin auf Holzpfeiler eingeschrieben und
in der sogenannten Basilika (oder Königshalle) öffentlich ausgestellt.
Solons Gesetze enthielten auch Bestimmungen über die Erziehung der
männlichen Jugend. Es war Regel, daß die Knaben nicht bloß in der Führung
der Waffen und in allen Leibesübungen, sondern ebenso in Wissenschaft, Dichtuug
und Icufik unterwiesen wurden. Der Unterricht wurde gewöhnlich in einer
Ringschule (Palästra oder Gymnasium) erteilt. Die Frauen uud Mädcheu wareu
auf ein zurückgezogenes Leben im Kreife der Familie angewiesen, wo sie im ab¬
geschiedenen Frauengemache (Gynäceum) häuslichen Arbeiten und kuustreichen
Fertigkeiten oblagen. Nur bei religiösen Festlichkeiten und Auszügen, wie bei
den Panathenäen (vgl. S. 75, Abs. c), nahmen sie öffentlich Anteil.
III. Die Tyrannis (56\—5J(0).
1. Wegriff und Entstehung der Uprannis. Das Wort Tyrann
bedeutet ursprünglich Herrscher. Mau verstand aber späterhin unter
Tyrannis nur die Gewaltherrschaft eines Unberechtigten. Diese Staats-
fornt tritt zumeist als Übergangsstufe zwischen aristokratischer und demo¬
kratischer Verfassung auf. Nicht selten waren die Tyrannen wohl¬
denkende Fürsten, die eine gute und preiswürdige Regierung führten.
Angesehene Tyrannen dieser Zeit waren: Pittakus von Mytilene,
Periander von Korinth, Polykrätes von Samos und Pisisträtus von Athen. Hin¬
gegen machte Phaläris von Agrigent seine Selbstherrschaft durch Grausamkeit
berüchtigt (der „Eherne Stier"). Ähnlichen Ruf erwarb sich in späterer Zeit
Dionys von Syrakus, der schon dem Altertum, teilweise mit Unrecht, als das
Beispiel eines harten und argwöhnischen „Tyrannen" galt.
2. Z)ie Kyrannis des Msisträtus (561—527). Solons Gesetze
hatten den einen zu viel, den anderen zu wenig an den früheren Zu¬
ständen geändert. Bald erhoben ftch von neuem die bürgerlichen Mißhellig¬
keiten. Bei solcher Lage des Staates bemächtigte sich Pisisträtus, der sich