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6. Der Fliederstrauch. 7. Der Löwenzahn oder die Kuhblume.
6. Der Fliederstrauch.
Im Frühlinge schimmert uns so oft in der Nähe der Dörfer
hinter Mauern und Zäunen der Flieder- oder Holunderstrauch
mit seinem grünen Blätterdache entgegen. Schon von weitem
atmen wir den starken Duft seiner Blüten. Sie sind blaßgelb
und klein; es stehen ihrer aber eine Menge beisammen, und die
Blütenstiele bilden einen ordentlichen Schirm. Der Holunder¬
strauch gehört zu den Gewächsen, die dem Menschen ganz beson¬
ders nützlich sind. Wird das Kind von Kopsweh geplagt, so thut
ein Umschlag von frischen Blättern des Flieders gute Dienste.
Hat es sich erkältet, so kocht die Mutter Fliederthee oder bereitet
aus den reifen, schwarzen Beeren Holundermus. Der Thee und
das Mus erzeugen wohlthätigen Schweiß und machen das kranke
Kind gesund. Der Apotheker gebraucht die Wurzel und die innere
Rinde der jungen Zweige, um heilsame Arzeneien daraus zu be¬
reiten. Die Rinde, welche in der Jugend grün, im Alter grau
und rissig ist, dient zum Färben. Das alte, gelbe Holz benutzt
der Drechsler zu allerlei niedlichen Arbeiten, und, ihr alle wißt,
wie nette Knallbüchsen sich aus den ausgehöhlten Ästen anfertigen
lassen. Summa: Es ist nichts am Fliederstrauch, was der Mensch
nicht benutzen könnte.
Wer hat tausend Augen und sieht sich nicht?
Der Strauch, der sie treibt und weiß es nicht.
7. Der Löwenzahn oder die Kuhblume.
1. Rinder pflücken auf dem grünen Anger gern die weißen
wolligen Köpfchen des Löwenzahns ab, die auf glatten, runden
Stielen aus grünen Blättern hervorschauen. Da fliegen die vielen
Samenkörnchen nach allen Seiten hin. Jedes hat ein feines Stielchen
und oben einen zarten, weißen Federkranz. Die Blüte war ihr
Vaterhaus, jetzt geht die Reise weithin durch die Luft. Die einen
lassen sich auf der Wiese, die andern am Wege nieder, jene ziehen
sogar über den breiten Fluß, steigen heimlich über den Zaun und
schlüpfen in den verschlossenen Garten. Noch andere bleiben auf
der Mauer sitzen oder siedeln sich auf den Straßen und Plätzen
des Dorfes oder Städtchens an.
2. Was thut nun das Samenkörnlein, wenn seine Reise zu
Ende ist? Das braune Korn ist mit zarten Widerhaken besetzt; mit
denen haftet es in der Erde. Der Wind weht Staub darüber, der
Regen bringt Wasser herzu; nun beginnt das Körnchen seine Arbeit.
Unten senkt es eine starke Wurzel in den Boden. Zarte Fasern