Full text: Geschichte des österreichischen Kaiserstaates (Theil 1, [Schülerband])

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ging verloren. Alle fahrende Habe war verkauft und daraus ein kleines 
Besitztum für die Kinder gelöst worden; das reichte aber bei weitem 
nicht aus, das Kostgeld für sie zu erschwingen, sie waren RKinder der 
Gemeinde, und darum brachte man sie unter bei solehen, die sie am 
billigsten nahmen. 
5. Amrei verkündete eines Tages mit Jubel ihrem Bruder, sie 
wisse jetzt, wo die Kuckucksuhr der Eltern sei, der Kohlenmatthes 
habe sie gekauft; und noch am Abend standen die Kinder draussen 
am Hause und warteten, bis der Kuckuck rief, dann lachten sie ein- 
ander an. Und jeden Morgen gingen die Kinder nach dem elterlichen 
Hause, klopften an und spielten dort am Weihber, wie wir sie heute 
sehen, aber jetzt horchen sie auf, das ist ein Ruf, den man in dieser 
Jahreszeit sonst nicht hört; denn der Kuckuck beim Kohlenmatthes 
ruft achtmal. 
„Wir müssen in die Schule,“ sagte Amrei und wanderte rasch 
wmit ihrem Bruder wiederum den Gartenweg hinein in das Dorf. An 
der hintern Scheuer des Rodelbauern sagte Dami: „Bei unserm 
Pfleger haben sie heute schon viel gedroschen.“ Er deutete dabei 
auf die Winden der abgedroschenen Garben, die wie Merkzeichen 
über dem Halbthore der Scheuer hingen. Amrei nickte still. 
Auerbach, Aus: „Barfüssele“. 
337. Der blinde König. 
Was steht der nord'schen Fechter Schar hoch auf des Meeres Bord? 
Was will in seinem grauen Haar der blinde König dort? 
Er ruft in bitterm Harme, auf seinen Stab gelehnt, 
daß überm Meeresarme das Eiland wiedertönt: 
2. 
„Gieb, Räuber, aus dem Felsverließ die Tochter mir zurück! 
Ihr Harfenspiel, ihr Lied, so süß, war meines Alters Glück! 
Vom Tanz auf grünem Strande hast du sie weggeraubt, 
dir ist es ewig Schande, mir beugt's das graue Haupt.“ 
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Da tritt aus seiner Kluft hervor der Räuber, groß und wild, 
er schwingt sein Hünenschwert empor und schlägt an seinen Schild: 
„Du hast ja viele Wächter, warum denn litten's die? 
Dir dient so mancher Fechter, und keiner kämpft um sie?“ 
Noch stehn die Fechter alle stumm, tritt keiner aus den Reih'n, 
der blinde König kehrt sich um: „Bin ich denn ganz allein?“ 
Da faßt des Vaters Rechte sein junger Sohn so warm: 
„Vergönn' mir's, daß ich fechte! wohl fühl' ich Kraft im Arm.“
	        
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