mein kranker Freund gepflegt werde!“ Diese harmlosen Wünsche wurden
dem Greise unbedenklich gewährt. Und so zog der lette Schüler Hillels
in die kleine Stadt Jabne (Jamnia). Die lernbegierige Jugend sammelte
sich wieder um ihn, und Jabne wurde der Ersatz für Jerusalem.
Das Synhedrium in Jabne. Hier war nun der Sitz des Syn-
hedriums. Hierher kamen die Zeugen, welche den Neumond gesehen hatten.
Hier wurde seine Weihe vorgenommen, und von hier wurden die Boten
ausgesandt, die den Brüdern im Auslande den Beginn des Neumondes
und der Festtage künden sollten. An das Synhedrium bezahlten die
Juden freiwillig die einstige Abgabe für den Tempel, obwohl die
Römer sie auch ihrerseits in derselben Höhe als tiseus Judaicus für den
Altar ihres Jupiter zwangsweise einzogen, seitdem dieser Götze ihrer
Meinung nach den Gott Israels besiegt hatte. War diese Anschauung
den Heiden geläufig, so sah das junge Christentum im Fall des Tempels
erst recht den eigenen Triumph über die Mutterreligion. Wenn die
Stätte, an welcher der Sünder bisher durch Opfer entsühnt worden,
zerstört war, so sei ja durch eben diese Tatsache der Beweis für die
Unentbehrlichkeit des Erlösers geführt, der einst durch seinen Opfertod
die Welt von ihren Sünden frei gemacht habe.
Allen jenen Folgerungen und Bestrebungen gegenüber wies R.
Jochanan ben Sakkai auf den Gottesdienst des Herzens hin, der
den Opferkultus für die Zukunft zu erseßen berufen war, und rief feinen
Schülern zu: „Wohltätigkeit ersetzt die Opfer!“ Die Klagenden tröstete
er, indem er ihnen den Fortbestand Israels mit den Worten der
Schrift verkündete: „Wohltun erhebt ein Volk, und die Liebeswerke der
Nationen sind ihre Versöhnungsopfer. “
Am deutlichsten zeigt sich uns sein reiches und reines Gemüt in dem Ge-
spräch mit seinen Schülern, das uns die Sprüche der Väter!) überliefert haben.
„Suchet, welcher Weg der beste für den Menschen sei!“ sagte er einst zu den Jüngern.
Da empfahl der eine „ein wohlwollendes Wesen“, der andere „einen zuverlässigen
Freund“, der dritte „einen guten Nachbarn“, der vierte ,die Klugheit, welche
die Folgen jeder Tat erwägt“, und endlich der fünfte „ein gutes Herz". Dieser
leßte Schüler, Ele asar ben Ara <, hatte im Sinne des Meisters gesprochen, denn
R. Jochanan sagte: „Jn diesem Rate sind all die eurigen enthalten“.
Allein während er einerseits darauf ausging, für den Opferdienst
einen dauernden und bleibenden Ersatz zu schaffen, richtete er anderer-
seits sein Augenmerk darauf, mit Hilfe gesetzlicher Anordnungen die
Gemüter seiner Zeitgenossen mit dem lebendigen Bewußtsein zu durch-
dringen, daß der augenblickliche Zustand nur ein vorübergehender sei.
„Bald wird der Tempel wieder gebaut sein“, war der Grundsatz, von
t) U. 9.