— 110 —
Kaiser Alexander erklärte Napoleon für abgesetzt; der französische
Senat, obgleich er aus Napoleons Geschöpfen zusammengesetzt
war, setzte am 1. April eine vorläufige Regierung unter dem
Vorsitze von Talleyrand ein, die am 2. April ebenfalls die Ab-
setzung Napoleons aussprach. Die Verbündeten wiesen Napoleon
die kleine Insel Elba als souveränes Fürstentum zu.
Das künstliche, von Napoleon aufgerichtete, dem Rechte der
Völker und Fürsten, dem Gedanken der Nationalitäten höhn-
sprechende Staatengebäude stürzte nun vollends zusammen. Die
Bourbonen wurden auf den französischen Thron zurückberufen;
Ludwig XVIII. (1814—1824), der Bruder Ludwigs XVI. hielt
im Mai seinen Einzug in Paris. Im ersten Pariser Frieden wurde
ihm Frankreich im ganzen mit den Grenzen vom 1. Jan. 1792
(das ursprüngliche Frankreich mit Landau, Mümpelgard, Avignon,
Teilen von Savoyen und Belgien) gegeben; Papst Pius VII
zog wieder in Rom, Viktor Emanuel, der König von Sardinien,
in Turin und Ferdinand VII., König von Spanien, in Madrid ein.
7. Napoleons Rückkehr. Die hundert Tage. Schlacht bei
Waterloo 1815.
Zweierlei war es, was Napoleon bestimmte, sein Glück noch
einmal zu versuchen, erstens die Zwietracht der europäischen Mächte
auf dem Wiener Kongresse, der am 1. November 1814 eröffnet
worden war und die aus den Fugen gegangenen europäischen
Verhältnisse ordnen sollte, und zweitens die Unzufriedenheit des
französischen Volkes mit der neuen Regierung. Ludwig XVIII.
wollte nämlich, die Zeitverhältnisse verkennend, die alten Zustände,
wie sie vor 1789 gewesen waren, wieder herstellen; die Emigranten
trugen ihren Kopf so hoch wie je zuvor und verhöhnten alles,
was unter Napoleon einige Geltung gehabt hatte. Auf den
größten Teil des französischen Volkes aber übte der Ruhm Na-
poleons, der mit seinen Heeren siegreich Europa durchschritten
hatte, einen gewaltigen Zauber aus. Napoleon, durch seine
Freunde von allem unterrichtet, wollte sich zum zweitenmale zum
Herrscher von Frankreich machen.