Full text: Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters

Kaiser Justinian. 
526 
35327-2 565 
reichischen Alpenländer und die Provence zu erwerben. Auf eine 
solche Macht gestützt, suchte er gegenüber den anderen germanischen Stämmen 
eine Art Hegemonie zu erlangen und hauptsächlich den Frieden unter 
ihnen zu sichern. Deshalb knüpfte er mit den meisten Fürsten Bande der 
Verwandtschaft an; er selbst führte die Schwester des Frankenkönigs Chlod⸗ 
wig als Gemahlin heim. 
In Italien regierte Theoderich mit Weisheit, Kraft und Milde, so 
daß das Land nach langer Zeit endlich wieder Ruhe und Frieden genoß. 
Die römische Bevölkerung suchte er dadurch für sich zu gewinnen, daß er 
die bestehende Verfassung beibehielt, viele Kunstwerke in Rom und anderen 
Städten wiederherstellen ließ, auch die alten Festspiele in der Hauptstadt 
erneuerte und sich in die Tracht der römischen Kaiser kleidete, deren edel— 
sten er nachstrebte. Dessenungeachtet gelang es ihm nicht, den Gegensatz, 
der zwischen den arianischen Goten und den katholischen Römern be— 
stand, auszugleichen, ja, er sah sich selbst als „Barbaren“ gehaßt und sein 
Leben durch Verschwörungen bedroht. Hiedurch ließ er sich zu blutigen 
Maßregeln hinreißen, denen manch angesehener Römer zum Opfer fiel. 
Als er starb (526), wurde sein Leichnam in einem prächtigen Grabmal 
beigesetzt, das noch heute in Ravenna steht. (Fig. 1.) 
Die Geschichte nennt Theoderich mit Recht den Großen und in der 
Sage wird er unter dem Namen Dietrich (Volksfürst) von Bern (alt— 
deutsche Form für Verona) als einer der hervorragendsten Helden gefeiert. 
B. Kaiser Instinian (527 — 565). 
Seit der Übernahme der Herrschaft durch Arkadius verfiel das ost⸗ 
römische Reich immer mehr, hauptsächlich infolge der Einfälle barbarischer 
Stämme. Erst unter Justinian nahm es wieder einen Aufschwung. Dieser 
tatkräftige Herrscher faßte den Plan, das römische Reich in seinen frü— 
heren Grenzen wiederherzustellen und den Katholizismus zur allein⸗ 
herrschenden Religion zu machen. Zu diesem Zwecke bekämpfte er die Reiche 
der arianischen Germanen, die auf den Trümmern des Römerreichs 
entstanden waren. 
1. Die Eroberungen Justinians. a) Das Ende des Vandalen— 
reichs. Der erste Angriff Justinians erfolgte auf das Reich der Vau— 
dalen in Afrika. Bei ihnen war der den Katholiken zugeneigte König 
hilderich durch seinen Vetter Gélimer vom Thron gestoßen worden. 
Da er deshalb die Hülfe des Kaisers Justinian erbat, so schickte dieser 
einen Feldherrn Bélisar nach Afrika. Belisar, der von der römischen Be— 
oölkerung als Befreier, nicht als Feind empfangen wurde, schlug Gelimer 
in der Nähe Karthagos, worauf er ohne Widerstand in die jubelnde Haupt—
	        
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