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§ 44.
namentlich, in Italien und Deutschland entfalteten, der Ein¬
wirkung des neu erschlossenen römischen und grie¬
chischen Altertums.
Die neue Richtung in den Wissenschaften, das Wieder¬
aufleben (= Renaissance) einer Denkweise, die der Fesseln
der Scholastik entledigt einer allgemeinen und rein mensch¬
lichen (= humanen), freien Bildung huldigte, wie sie z. B.
in den Schriften Platos gelehrt wurde, bezeichnet man als
Humanismus.
Die Glanzzeit der Künste, vor allem der Baukunst1), die
mit dem fünfzehnten Jahrhundert anbrach, trägt insbesondere
den Namen Renaissance.
I. Der Humanismus.
Die Wiege des'Humanismus stand in Italien. Hier waren
Petrarca2) und Boccaccio3), die Zeitgenossen Karls IV.,
bemüht gewesen, Handschriften der großen Werke des klas¬
sischen Altertums zu sammeln und vor dem Untergang zu
bewahren. Um seiner lateinischen Dichtungen willen war
Petrarca, der zugleich durch seine in italienischer Sprache
verfaßten Gesänge der erste Lyriker seines Heimatlandes
wurde, auf dem Kapitol zum Dichter gekrönt worden4). Im
Jahr der Schlacht bei Nikopoli5) kam der Byzantiner Manuel
Chrysolöras in Florenz an und ließ sich hier als erster
Lehrer des Griechischen auf Italiens Boden nieder.
Der Ruhm, der Ausbreitung der neuen, wie überhaupt
jeder geistigen Bildung den Weg geebnet zu haben, gebührt
Deutschland; denn hier erfand um das Jahr 1450 der
Mainzer Johannes Gutenberg aus der Patrizierfamilie der
Gensfleisch die Buchdruckerkunst6). Trotzdem sie anfangs
geheimgehalten wurde, machte sie sich noch im Laufe des fünf¬
zehnten Jahrhunderts fast in allen Ländern Europas heimisch.
*) Man rechnet liier Frührenaissance von 1420 bis 1500, Hoch¬
renaissance bis 1580.
2) Starb 1374.
3) Starb 1375.
4) Poeta liureatus, eine Auszeichnung, die nocb lange nachher
von Fürsten, so besonders vom Kaiser, verliehen wurde.
s) Vgl. Seite 194.
6) Ihr wesentlicher Unterschied gegenüber den älteren Druckatren
besteht in der Verwendung beweglicher, gegossener Metall¬
typen.
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