A. Im Vaterland. 
281 
24 
4. Die letzte Großlandschaft, Norddeutschland im engeren 
Sinne, zeigt uns ebenfalls manch einheitlichen Zug, der sich im Leben 
und Treiben seiner Bewohner wiederspiegelt. Die weiten Ebenen und 
die leichten Bodenwellen sind arm an wertvolleren Stoffen, ja selbst 
an gutem Baumaterial. Es ist kein Zufall, daß in Kirchen⸗ und 
Profanbauten alter und neuer Zeit der Ziegel haäufig an die Stelle 
des behauenen Steines tritt, und daß selbst zahlreiche künstlerisch 
hervorragende Bauwerke — es sei hier nur an cübeck und an das 
alte Land des Deutschordens erinnert — ihren eigenartigen Charakter 
diesem Umstande verdanken. Die Armut des Erdinnern aber an 
wertvollen Mineralien wurde zur Ursache, daß große Mittelpunkte 
einer lebhaften industriellen Tätigkeit sich in bedeutenderer Entfernung 
vom Gebirgsrande nur an solchen Stelien finden, die zugleich einen 
billigen und bequemen verkehr zu Wasser gestatten. Und darum 
fehlen dem ganzen Cande überhaupt alle jene Ortschaften, die, wie 
so manche Stadt in den Rohlenbezirken, ihre ganze Tätigkeit in dem 
Betriebe der Fabriken erschöpfen. Alle hier zu nennenden Plätze der 
Großindustrie wie Berlin, hamburg, Magdeburg und andere sind 
vielmehr gleichzeitig wichtige handels-⸗ und Verkehrsorte von einer 
weit vielseltigeren Bedeutung als die unter dem Einflusse der Gebirgs— 
zone herangewachsenen Großstädte. Vor allem aber ist das platte 
Tand nirgends mit jenem Walde von ssschornsteinen überzogen, die 
wir dort so oft die Gegenden auch außerhalb der Fabrikorte selber decken 
sehen und die ganze Landschaften mit dem Rauche ihrer Essen erfüllen. 
Im eigentlichen Norddeutschland, das mit rund einer Viertel— 
million Quadratkilometer nicht viel weniger als die hälfte des Reiches 
einnimmt, liegen von den 37 selbständigen Großstädten des Jahres 
1905 nicht mehr als ihrer 1 und nicht weniger als 7 von ihnen 
sind als Seehäfen, 2 andere wenigstens als Flußhäfen handelsplätze 
ersten Ranges. Dies Vverhältnis zeigt deutlich, welche Rolle in diesem 
Teile unseres Vaterlandes das Wasser von jeher gespielt hat. Hier 
Hurden die Blicke der Städter schon frühe auf das Meer und auf den 
Seehandel gelenkt. 
Anders und doch als eine notwendige Ergänzung zu diesem 
sstreben der Bürger mußte sich die Bedeutung des platten Landes 
hier durchsetzen. An Stelle jenes innigen Zusammenhangs zwischen 
Stadt und Land, den wir im Südwesten eutschlands im wirtschaftlichen 
Leben des Ganzen wirksam sehen, macht sich hier ein gewisser Gegen— 
satz geltend, der in der Vergangenheit namentlich der Länder im 
Osten der Elbe nicht selten in tatfächliche Feindschaft ausartete. Und 
dennoch wird auch der einsichtige Verfechter städtischen Einflusses 
zugeben müssen, daß der große Siaat, der auf diesem Boden erwuchs, 
uͤnd der für die schließliche Einigung Deutschlands die festeste Stütze 
wurde, in seiner kernigen candbevolkerung und in seinem mit der 
sscholle eng verwachsenen Grundadel eine Macht sein eigen nannte, 
ohne deren hilfe selbst die genialen Fürsten des hohenzollernhauses 
schwerlich das erreicht haben würden, was uns die Regierungszeit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.