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Zustand seiner nach Palästina zurückgekehrten Glaubensbrüder erfuhr, bat
er den König um die Erlaubniß, nach Jerusalem zu reisen, die ihm
auch gewährt wurde. Unter Leitung des Nehemias bauten die Juden an
den Mauern trotz aller Hindernisse, die ihnen die Samaritaner und be—
sonders ihr Oberhaupt Sanballat in den Weg legten, und hielten wäh—
rend des Baues in der einen Hand die Waffe, um sich gegen den Feind
zu vertheidigen. Als Statthalter der Juden, zu welchem Posten ihn der
König ernannte, traf er auch das Wohl seiner Brüder fördernde Ein—
richtungen. Nach mehrjährigem Aufenthalte in Palästina kehrte er nach
Persien zurück, kam aber zum zweiten Male nach Jerusalem, wo er
religiöse und liturgische Anordnungen zur Belebung des religiösen
Sinnes traf.
196. Esra.
Esra, aus dem Priestergeschlechte, zog mit Genehmigung des per—
sischen Königs Artaxerxes nach Palästina (458), um seine dahin zurück—
gekehrten Glaubensbrüder zu unterstützen und ihnen in ihren Unter—
nehmungen behilflich zu sein. Dieser ausgezeichnete Schriftgelehrte war
der geistige Restaurator des Judenthums. Er hatte sich überzeugt, daß
die Juden durchaus nicht nach den mosaischen Vorschriften lebten und
dieselben nicht einmal kaunten. Er stellte sich also die Aufgabe, die Kennt—
niß der heiligen Schriften unter dem Volke zu verbreiten und die Be—
obachtung der göttlichen Lehren zu fördern; er las dem Volke die Ge—
setze vor und drang darauf, daß auch nach ihnen gehandelt werde. Ein
befonderes Verdienst erwarb er sich dadurch, daß er den Götzendienst, der
sich während des ersten Tempels unter den Juden einbürgerte, mit der
Wurzel ausrottete. Eine Hauptursache des Uebels waren die heidnischen
Weiber, welche viele Juden geheiratet hatten. Diese Frauen führten nicht
nur den angestammten Götzendienst mit seinen Gebräuchen fort, sondern
verleiteten auch ihre Männer zu ihren Verirrungen. Esra drang nun
darauf, daß alle heidnischen Weiber von ihren Männern verstoßen würden;
er fand zwar bei diesen Eingriffen in das Familienleben vielen Wider—
stand, doch der größere Theil seiner Glaubensgenossen folgte seiner An—
ordnung, wodurch das Judenthum wieder in seiner ursprünglichen Rein—
heit eingesetzt wurde. Dem Esra wird auch die Umschreibung des
Pentateuchs in die jetzt gebräuchliche Schriftart zugeschrieben. Mit ihm
foll auch die Reihe der Männer beginnen, die unter dem Namen „Die
Männer der großen Synode“ bekannt sind und deren Thätigkeit vor⸗
zugsweise in Sammlung und Feststellung des biblischen Kanon und in
Ordnung des öffentlichen Gottesdienstes bestand. Der wichtigste Theil
unserer Liturgie soll von diesen Männern eingeführt worden sein.
197. Die Königin Esther.
Ahasverus, König des durch die Siege seiner Vorgänger vergrößerten
Perserreiches, veranstaltete mit orientalischem Luxus eine Reihe von Fest—
lichkeiten für die Großen seines Reiches und für alle Beamten und
Diener. Seine Gemalin, die Königin Waschti, gab ebenfalls ein großes