Full text: Österreichisches Geschichtsbuch für Bürgerschulen

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In allen Dörfern sind die Häuser voll von Leichnamen gelegen. 
Mann, Meib, Kinder und Gesinde, Pferde, Schweine, Kühe und 
Oehsen neben- und untereinander, vom Hunger und von der Pest 
erwürget, sind von Wölfen, Hunden und Krähen gefressen, weil 
niomand gewesen, der sie begraben, beklaget und beweinet hat.“ 
Deutsechland hatte doen Woblstand, dessen es sieh zu Beginn 
des 17. Jahrhunderts erfreute, gänzlich eingebußt. Seine Gesamt- 
bevölkerung war durch den Krieg um die Hälfte vermindert worden. 
In den Städten standen oft bis 2u 2wei Drittel der Hàuser leer 
aund viele Ortschaften waren überhaupt ganz verschwunden. In 
Böbmen war die Einwohnerzahl von drei NMillionen auf 780.000 
zuruekgegangen. 
Da der Ackerbau während des Krieges schwer daniederlag, 
trat an Stelle der Wiesen und Felder ein mit Buschwerk bedecktes 
Heideland. Wo aber die Menschen seltener wurden, mehrten sich 
die Wölfe und andere wilde Tiere. 
2. Ruckgang der Kultur des Volkes. Mit der Wiederkehr 
geordneter Zustände erbolte sich zwar dis Landwirtschaft rasch. 
Nicht so Handel und ITdustrie. MWahrend des Krieges stockte in 
Deutschland jede wirtschaftliehe Tätigkeit und dadurch erhielten 
England, die Niederlande und Frankroeich Gelegenheit, die deutschen 
Làñnder von sich abbaàngig zu machen. 
Infolge der ungeheuren Verwilderung der Gemüter durch den 
gerrehuna RKrieg sanken auch Sittlichkeit und Bildung tief herab. Unglaube 
einerseits und Aberglaube anderseits wuchsen damit im gleichen 
Maß. Im Kampfe um die Religion hatte das Volk seine Religion 
oingobußt. Traten Mißwachs und Ungewitter ein, so wurde die 
Schuld daran nicht den Naturkräften, sondern Hexen zugeschrieben 
und als solcho wurden zahllose Opfer dem Feuertode überlüefert. Die 
Foltor feierte glänzonde Tage. 
Das Bewubtsein der Zugehörigkeit 2u einem groben einbeit- 
nzangndische lichen Volke, d. i. das Nationalgef übhl, ging dem Deutschen mit 
deuischland. der Zersplitterung Deutschlands fast gänzlieh verloren. Spanischer 
und frapzösischer BEinfsuß beherrschten Sitte, Sprache, Wissenschaft 
und Kunst. Die französische Modoe war auf diesen Gebieten für 
Deutschland vorbildlich und wurdo allgemein nachgeahmt. Von 
Spanien wurden die hohen, bis Uber die Knie hinaufreichenden 
Stiefel, von Frankreieh die Perueken mit langen Locken, die hohe 
Frisur und die Krinolinen der Damen eingef ührt; von dort aus drangen 
die steison Umgangsformen in Deutschland ein und die kleinen 
deutsehen Fürsten suehten in allem das glänzende Selbstherrschertum 
Ludwigs XIV. mit seinem bis an die Lächerliehkeit grenzenden 
gzteifen Hofzeremoniell nachzuahmen. 
Wirtschaft⸗ 
iche Abhaͤn⸗ 
zigkeit vom 
Auslande.
	        
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