Full text: Der Zeitraum von 1246 bis zum Tode Friedrichs III. (Theil 2)

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hohen Berg, auf welchem sich eine weite Ebene ausbreitete, und schlu- 
gen auf der höchsten Spitze desselben aus linnenen Tüchern ein Zelt 
nach Art einer Kapelle auf. Indem sie dort die h. Messe darbringen, 
laben sie das dorthin zusammenströmende Volk in frommster Weise 
mit dem verehrungswürdigen Sacramente der Eucharistie, wobei dann 
jene Art der Communion zu voller Geltung kam. Darauf nahmen sie 
die linnenen Tücher wieder ab und kehrten zu ihren Geschäften zurück. 
Dem Berge aber gaben sie den Namen Tabor, und die dort sich Ver- 
sammelnden wurden "Faboriten genannt. Als nun die Bewohner der 
benachbarten Städte, Märkte und Dörfer dieses hörten, vereinbarten die 
Priester der Brüdergemeinde in der Umgebung einen bestimmten Fest- 
tag, an welchem sie die Schar ihrer Gläubigen mit dem hochheiligen 
Sacramente des Leibes Christi unter lautem Gesange auf den Berg 
Tabor führen wollten, um sie dort, wie sie zu sagen pflegten, im wahren 
Glauben zu stärken und zu trösten. Diesen nun, da sie in solcher Weise 
heranziehen, gehen von Tabor aus die Brüder und Schwestern mit dem 
verehrungswürdigen Altarssacramente entgegen, um die Ankömmlinge 
freudig zu empfangen. So kamen auch noch andere auf den Berg und 
brachten den ganzen Tag nicht etwa unter Lustbarkeiten, sondern 
unter Handlungen zu, die das Seelenheil fördern. Ihre Priester nämlich 
walteten dort eines dreifachen Amtes: diejenigen, welche größere Ge- 
lehrsamkeit und Gabe der Rede besaßen, predigten vom frühesten 
Morgen an dem Volke — es waren aber die Männer getrennt von den 
Weibern, und diese von den Kindern — das Wort Gottes und alles, 
was den Hochmuth, die Habsucht und die Anmaßung des Clerus ins 
rechte Licht zu stellen geeignet war, ohne jegliche Furcht, einer nach 
dem andern. Andere saßen inzwischen beständig da, um die Ohren- 
beichte entgegenzunehmen, wieder andere spendeten nach Abhaltung 
der h. Messe dem Volke von Tagesanbruch bis gegen Mittag die 
Communion unter beiden Gestalten, des Leibes und des ‚Blutes Christi 
des Herrn. So kam es, dass am Tage Maria Magdalena ®) etwa 42.000 
und einige zwanzig Männer, Frauen und Kinder von den Priestern ge- 
zählt wurden, die in dieser Weise communicierten. Nachdem nun dies 
alles in der eben bezeichneten Weise ausgeführt war, begaben sie sich 
zur Stärkung ihrer Leiber in die ebendort auf dem Berge vielfach her- 
gerichteten Räume und feierten in brüderlicher Liebe gemeinsame 
Mahlzeit, nicht nach Art von Schmausereien und Trinkgelagen, auch 
nicht zügellosem Treiben hingegeben, sondern ganz aufgelöst im eifrigen 
3) 22. Juli.
	        
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