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tend, ordnete nun ihren Hofhalt mit dem nöthigen reifen Verständnisse,
entfernte diejenigen, die sie minder brauchbar fand, und übertrug taug-
lichen und umsichtigen Leuten die Besorgung aller ihrer Geschäfte;
aus angeborener Liebe zur Thätigkeit zeigte sie sich allen so, dass
kein irgendwie Bedrängter, der zu ihr kam, ohne das Heilmittel des
Trostes von ihr schied. Sie strebte beiden Nationen, der deutschen
sowohl wie der böhmischen, sich so beliebt zu machen, dass niemand
einen Grund zum Tadel oder Ursache zum Hasse an ihr finden konnte;
zwischen zwei Nationen, die wegen ihres Zusammenlebens uneins waren,
stehend, war sie bei allen beliebt, weil jedermann, mochte er welcher
Zunge immer sein, nach Maßgabe seiner Verdienste Ehre und Vortheil
von ihr täglich davontrug. Sie ließ keine Zeit unbenutzt vorüber-
streichen, sondern abwechselnd wohnte sie jetzt dem Gottesdienste mit
schuldiger Ehrfurcht bei, dann wieder beaufsichtigte sie die Arbeiten
ihrer Frauen, weil sie ihr tägliches Brot nicht in gemächlicher Ruhe
verzehren wollte. Sie litt auch nicht, dass ihre Hoffräulein müßig waren,
sondern wies jeder eine Arbeit an und lehrte als emsige Lehrerin die
eine weben, die andere spinnen, die dritte aber nähen.
8. Meinhard von Tirol wird Herzog von Kärnten.
Belehnungsgebräuche.
(Aus der Chronik des Abtes Johannes von Victring. Johannes stand von 1314 bis
1347 dem am Wörthersee bei Klagenfurt gelegenen Kloster Victring als Abt
vor. Er war ein hochgebildeter, charaktervoller Mann, der sowohl bei seinen Lands-
jeuten als bei Heinrich von Kärnten, dessen Tochter Margareta Maultasch und
später bei den österreichischen Herzögen großes Ansehen genoss und oft an den
Höfen dieser Fürsten weilte, Er ist demnach in der Lage sehr oft als Augen-
zeuge zu erzählen. Da er zu sehr einflussreichen und mitten in den KEreig-
nissen stehenden hohen geistlichen Würdenträgern in freundschaftlicher Beziehung
stand, so erhielt er auch genaue und zuverlässige Berichte von Ereignissen, denen
er ferne war. Sein Werk, das deshalb zu den hervorragendsten Geschichts-
quellen gehört, reicht von dem Aussterben der Babenberger bis auf Albrecht
den Weisen; der Anfang desselben stützt sich auf die steirische Reimchronik,
Geschrieben wurde es in den späteren Lebensjahren des Verfassers, der es dem
Herzoge Albrecht dem Weisen von Österreich widmete. Es beweist sowohl in
seinem wohldurchdachten Plane, der sich von der mechanischen Anlage der da-
ınals üblichen annalistischen Chroniken durchwegs unterscheidet, als auch in der
Sprache, und der geschmackvollen Anwendung der Citate aus lateinischen Clas-
sikern die classische Bildung seines Autors. Der Name desselben wurde jedoch
erst in neuerer Zeit festgestellt, sowie es auch erst da gelang, sein Werk von
zerunstaltenden fremden Einschiebungen zu reinigen. Das eigenhändig geschrie-
hene Concept des Werkes befindet sich in der Hofbibliothek zu München.)
Anno domini supradicto MCCLXAXVI, cum praedicta
Junii tempore essent gesta in Augusta,') Meinhardus in capite
1) D. h. nach der Belehnung Meinhards in Augsburg. Es wurde jedoch
Meinhard von König Rudolf nicht im Juni, sondern laut der noch vorhandenen
“Jrkunde am I. Februar 1286 mit Kärnten belehnt.