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Gleichstellung der Orientalen versöhnen, die Alexander nunmehr ohne Rücksicht
durchführte. Als der König orientalischen Truppenkörpern die Waffen und militärischen
Ehren der Mazedonier verlieh, Perser und Baktrer in die berittene Leibgarde auf-
nahm, kam der längst angesammelte Groll zu stürmischem Ausbruch. Bei einer Heer-
Schau am Tigris meuterten die Truppen und schrieen ihrem Kriegsherrn zu, er möge
allein mit den Barbaren und seinem Vater Amon zu Felde ziehen. In überschäumendem
Zorn ließ der König die Hauptaufwiegler sofort zum Tode führen; dann schalt er
it strengen Worten den Undank der Mazedonier; vor seinen Privatgemächern zogen
Perser zur Wache auf. Das wirkte auf die Krieger, die trotz allem mit ganzer Seele an
Ihrem großen König hingen. Sie erbaten und erhielten Verzeihung, aber 10.000 Ve-
teranen mußten in die Heimat zurückkehren und die Gleichstellung der Asiaten
blieb bestehen.
Unverhüllt trat zugleich Alexanders Anspruch auf göttliche Verehrung
hervor, Selbst die hellenischen Gemeinden — darunter Athen — wurden genötigt,
dem König durch „Festgesandte‘“ die Zuerkennung eines Kultes kundzutun. Sie
Tangen damit ihrem Freiheitsstolz ein schmerzliches Opfer ab, doch so ungeheuerlich
Wie uns erschien ihnen dies keineswegs. Der Gottheitsbegriff war nicht in seiner
Reinheit erfaßt, die Grenze zwischen Gott und Menschen nicht scharf gezogen.
Kurze Zeit nachdem Alexander als Gott anerkannt war, ist er gestorben. In
Babylon, der Hauptstadt seines Reiches, hielt der Großkönig Hof; Gesandte aus
aller Welt fanden sich ein, um die Absichten des „Herrn der Erde und des Meeres‘
B Erfahrung zu bringen: Äthiopier, Karthager, Spanier, Kelten, Etrusker, wahr-
Scheinlich auch Römer. Er plante zunächst eine Umsegelung Arabiens, um einen
direkten Seeverkehr von Ägypten nach Persien und Indien zu schaffen. Schon lag
die Flotte segelfertig im Euphrat, als ihn ein Sumpffieber befiel. Durch Überan-
Strengung und die unvermeidlichen Gelage geschwächt, vermochte er der Krankheit
keinen Widerstand entgegenzusetzen. Maßlose Aufregung bemächtigte sich seiner
Mazedonier: sie erzwangen den Eintritt und zogen, Mann für Mann, an seinem Sterbe-
lager vorüber. Er war nicht imstande, ihnen Lebewohl zu sagen, hob nur den Kopf
%n wenig und winkte ihnen mit der müden Hand. Am folgenden Abend beschloß er
Sein junges Heldenleben (323).
_ Alexanders Persönlichkeit und historische Bedeutung. Alexander gehört zu den
überwältigenden Erscheinungen, an die man den Maßstab des Alltagsmenschen
Nicht anlegen kann. In der begeisterten Hingabe an großartige Ideen, in der Verachtung
Jeder Gefahr, in seiner schwärmerischen Freundschaft, seinem Zorn und seiner Reue,
Seiner zu kühnstem Fluge sich erhebenden Einbildungskraft geht er weit über die
Grenzen hinaus, die dem gewöhnlichen Sterblichen gesetzt sind. Daher ist er der erste,
dem die Geschichte den Beinamen des „Großen‘“ gespendet hat. Sein nie rastender
Geist dürstete stets nach dem Unerhörten und erkannte doch in jeder Lage das Zweck-
Mäßige, aber er strebte höher als ein Mensch gelangen kann. Die Weltherrschaft war
© unerfüllbarer Traum; die Verschmelzung der Völker und Kulturen Asiens und
Europas hätte nur das Werk vieler Menschenalter, nicht das eines einzelnen sein können.
Allein das unsterbliche Verdienst bleibt ihm, daß er zuerst den Gedanken der Zu-
Sammengehörigkeit und ‘Gleichheit aller Menschen, den Gedanken der Humanität,
rfaßte und zur Wahrheit machen wollte; er hat den Boden vorbereitet, auf dem der-
Inst das Christentum Wurzeln schlug.
Dem Griechentum hat Alexander das Morgenland geöffnet und damit die Epoche