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Soldtruppen, die Mamertiner (Marssöhne), mit räuberischer Hand an sich gerissen
hatten. Da die Mamertiner die Nachbargebiete ausplünderten, überzog sie Syrakus
mit Krieg. Die sichere Niederlage vor Augen, wandten sie sich gleichzeitig an Karthag0
und an Rom um Hilfe.
Der Senat fand sich vor eine Entscheidung von der äußersten Tragweite gestellt.
Wies man das Gesuch der Freibeuter ab, so wurde die überaus wichtige sizilische Meer-
ange den Karthagern ausgeliefert; dann war das westliche Mittelmeer ein punisches
zeworden, die Handelsfreiheit Italiens, die wirtschaftliche Entfaltung der griechischen
Bundesstädte gelähmt und der Weg zu steigendem Wohlstand unterbunden. Den
Römern blieb nichts anderes übrig als das Gesuch anzunehmen, obwohl sie klar
empfanden, daß ihre Politik damit die bisher verfolgte beständige und zielbewußte
Richtung aufgab und in eine nebelhafte und unsichere Ferne steuerte, Römische
Truppen entrissen Messana den Karthagern, die schon vorher in der Stadt eI-
schienen waren (264). Damit war der Kriegsfall zwischen den beiden Mächten ge-
zeben.
Verlauf des Krieges. Der erste Punische Krieg war ein Kampf zweier ungleicher
Gegner: einer starken Seemacht und einer starken Landmacht. Doch besaß auch
Rom eine Flotte, die hauptsächlich seine griechischen Bundesgenossen (die socii
navales) beistellten. Zu Lande war das vorzüglich geschulte römische Bürgerheer
weitaus den karthagischen Truppen. überlegen (vgl. S. 43). Der Krieg konnte auch
nur für Karthago, nicht aber für Rom ein Kampf um die Existenz werden. Denn Rom;
selbst stark befestigt, gesichert durch die wehrhafte Bevölkerung und durch die
Kette von Festungen und Heerstraßen, schien unangreifbar, während Karthago im
sigenen Lande am schwächsten war, da die Untertanen nur auf einen günstigen Augen-
blick zum Aufstand warteten und das Handelsvolk der Großstadt aller kriegerischen
Eigenschaften ermangelte.
Die Römer waren zunächst durchaus im Vorteil. In Sizilien drängten sie die Feinde auf einzelnt
befestigte Küstenplätze zurück und nötigten den König von Syrakus zu einem Freundschaftsbündnis
Sogar zur See gelang ihnen bei M y la e (westlich von Messana) ein großer Sieg (260). *
Um den Krieg mit einem Schlag zu beenden, entschloß sich der Senat zu einem Angriff auf Kar-
‚hago selbst. Durch einen neuen Seesieg wurde die Landung ermöglicht (256), der Konsul M. Atilius
Regulus schlug die punischen Landtruppen und brachte Numider und Libyer zum Anschluß. Aber
lie Karthager rafften sich im Angesicht der höchsten Gefahr zur Anspannung aller Kräfte auf. Mit
einem starken Söldnerheere griffen sie die Römer an und vernichteten ihre Truppen, der Konsul
selbst geriet in Gefangenschaft (255).
Ohne Entscheidung zog sich der Krieg noch jahrelang hin. Es kam darauf an;
welcher Staat ihn länger aushielt. Den Römern tat er Abbruch genug; sie verloren
vier große Flotten, teils durch Stürme, teils durch Niederlagen, ihre Finanzkraft war!
fast erschöpft. Trotzdem führten sie den Krieg mit echt römischer Hartnäckigkeit
weiter. In Karthago waren die Handelsinteressen stärker als die politischen Erwägungen;
die regierenden Kaufherren brauchten den Frieden zum ungestörten Betrieb ihre!
geschäftlichen Unternehmungen und waren bereit, ihn selbst mit Opfern zu erkaufen.
Zudem waren die Punier durch einen Aufstand im eigenen Lande stark in Anspruch
genommen. Sie mußten sich auf den Kleinkrieg in Sizilien beschränken, den der Feld-
herr HamilkarBarkas (d. h. „der Blitz‘) meisterhaft leitete. In Rom dagegen
beseelte den Adel trotz der 23jährigen Kriegsdauer noch ein solcher Unternehmungs-
geist, daß er aus eigenen Mitteln eine neue Schlachtflotte baute und ausrüstete. Die