Full text: Der geschichtliche Lehrstoff für österreichische Volksschulen

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4. Folgen des großen Krieges. 
a) Elend und Aberglauben. 
Allgemeine Not. Wohl war der große deutsche Krieg 
zu Ende, aber noch lange, lange brauchte es, bis die Folgen des 
tiefen Elends verwischt waren. Die Felder blieben unbestellt, 
Wald wuchs darauf und Wölfe in großer Zahl sammelten sich 
darin. Tausende von Häusern, von ganzen Dörfern und Städten 
waren niedergebrannt, Hunger und Seuchen hatten Menschen und 
Vieh hinweggerafft, öde und leer waren Stadt und Land. Deutsch⸗ 
land hatte mehr als die Hälfte, Böhmen drei Viertel seiner Ein— 
wohner verloren. Die Menschen waren herabgekommen und ver⸗ 
wildert und es kostete sie große Mühe, sich wieder an Ord nung 
und ein tätiges Leben zu gewöhnen, die böfen Sitten, den garsti— 
gen Aberglauben abzustreifen, wieder gut und ehrlich zu werden. 
Hexrenprozesse. Der Aberglaube war überhaupt eine Schattenseite 
dieses und des vorigen Jahrhunderts; er beherrschte alle Stände und zeitigte in 
der Alchimie und den Hexenprozessen seine Auswüchse. Der im Jahre 1635 
verstorbene Jesuit Friedrich Spee, der als Beichtvater viele Hexen zum 
Scheiterhaufen begleitet hatte, antwortete einem Freunde auf die Frage, warum 
er ein graueres Haupt habe, als seinem Alter gemäß sei: „Das rührt von den 
Hexen her, die ich zum Scheiterhaufen begleitet habe.“ Im Jahre 1631 veröffent⸗ 
lichte er eine Schrift unter dem Titel: „Warnungsschrift über die Hexenprozesse, 
an alle Behörden Deutschlands, an die Fürsten und ihre Räte, an die Richter und 
Advokaten, Beichtväter, Redner und an das ganze Volk.“ In derselben schrieb er 
unter anderem: „Ich beteure es bei einem Eide, daß ich noch keine einzige zum 
Feuer begleiten half, von der ich, wenn ich alles reiflich erwogen habe, sagen 
könnte, daß sie des Lasters in Wahrheit schuldig gewesen. Und eben dasselbe 
haben mir noch andere angesehene Theologen auch gesagt; und doch habe ich 
allen möglichen Fleiß angewendet, um die Wahrheit zu ergründen.“ 1) 
i) Hexe ⸗ hagaziga, hagazussa bedeutete ursprünglich göttliche Jungfrau, 
Priesterin im heiligen Haine (nag). Als sich das Christentum Eingang ins 
deutsche Volk erzwang und die heidnischen Bräuche nicht mehr offen geübt 
werden durften, diente man in abgelegenen Orten den Göttern der Vorfahren. 
Die neue Lehre verfolgte die Heiden aber auch in den verborgensten Winkeln 
und um das Ansehen der alten Götter zu vernichten, wurden sie dem Volke 
als gräßliche Unholde und böse Geister hingestellt, ihre Anhänger aber zu 
Menschen gestempelt, die sich mit dem Teufel verbündet hätten. Da aber be— 
sonders die alten Frauen dem alten Brauche und Glauben anhingen, so waren 
auch besonders sie es, die in den Verdacht der Zauberei und Hexerei kamen. 
Die alten Deutschen feierten in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 
das Frühlingsfest ihrer Götter auf Bergeshöhen und in Hainen und so ver 
Eidam, Der geschichtliche Lehrstoff. 6. Anfl. 26
	        
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