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I.
Karl der Große (um 800).
1. Pipin der Kurze und sein Sohn.
Die Franken. Von den deutschen Stämmen, die sich in
den alten römischen Provinzen angesiedelt hatten, waren die
Franken der kräftigste und bedeutendste. Sie hatten ihre Herr—
schaft über jenes Gebiet ausgebreitet, das nach ihnen noch jetzt
Frankreich heißt. Einer ihrer Könige, Pipin der Kurze, zog
zum Schutze des Papstes gegen die Longobarden über die Alpen.
Er entriß diesen die Umgebung Roms und schenkte das eroberte
Land der römischen Kirche. So wurde der Papst als Verwalter
dieses Gebietes, des Kirchenstaates, weltlicher Regent.!)
Karls Gestalt und Tracht. Nach Pipins Tode regierte
dessen Sohn Karl über die Franken. Er war von hoher Gestalt
und starkem Körperbau. (Das ist ein Kerl!) Sein Antlitz zeigte
eine hohe Stirn und große, lebhafte Augen. Im Reiten, Fechten
und Schwimmen war er Meister; jagend trieb er sich oft in den
Wäldern umher und kämpfte mit Auerochsen, Wölfen und Bären.
Pracht der Kleider liebte er nicht; mit Unwillen bemerkte er,
wie seine Hofleute sich in seidene Gewänder hüllten (Les. Karls
Liebe zur einfachen Tracht). Nur an Reichstagen und hohen Festen
erschien er in voller Maßestät, mit einer goldenen, von Diaman—
ten strahlenden Krone auf dem Haupte, angetan mit einem lan⸗
gen, wallenden Mantel.?)
Karls Hofhalt war von größter Einfachheit. Seine Ge—
mahlin und seine Tochter spannen — aber mit der Handspindel,
denn das Spinnrad wurde erst 1530 erfunden — und führten
selbst den Haushalt. Im Essen und Trinken war er höchst mäßig.
An der Mittagstafel sprach der Kaplan täglich das Gebet; seine
gelehrten Freunde speisten mit. Bei und nach Tisch erbaute sich
der Kaiser an der Vorlesung von Gedichten, an Musik oder den
Scherzen der Spaßmacher.
Siehe Pipins Namenszug v. J. 760; Kulturgesch. d. deutsch. V. v. Henne
am Rhyn, J. 88. — Pipin der Kurze, Gedicht: Les. 6, VI 180
Krönungsornat, Henne a. Rh. J. 93