Kap. 174. Schlacht bei Sedan. 225
gelangt war, eilte diese in Gewaltmärschen nach Norden, vereinigte sich mit der
IV. Armee und drängte durch das siegreiche Gefecht bei Beaumont
(30. Aug.) den Feind hinter die Maas nach der Festung Sedan zu. Ihn
westlich und östlich zu umgehen, am Uebertritt auf belgisches Gebiet zu hin-
dern und in der Festung Sedan zu erdrücken, war nun der Plan, der, kühn
erdacht, mit wunderbarer Sicherheit ausgeführt wurde. Während die IV.
Armee zu diesem Zweck auf dem rechten Maasufer vorrückte und Sedan von
Osten her umschloß, umgieng der größere Theil der III. Armee, mit treff¬
licher Artillerie versehen, die Festung aus der Westseite; der andere Theil
der III. Armee, vorzüglich Baiern unter General von der Tann, beschäf-
tigte die Franzosen von der Fronte her. Noch ehe die Umgehung des feint)-
lichen Heeres von Osten und Westen ganz ausgeführt war, erfolgte unter
der Leitung des Königs Wilhelm am 1. September die furchtbare Schlacht
bei Sedan, welche der kaiserlichen Armee und zugleich dem französischen Kai-
serthum ein Ende machte.
Zuerst begannen (um 6 Uhr morgens) die Baiern von Süden her mit starkem Ar¬
tilleriefeuer den Angriff. Es galt das Dorf Vazeilles zu erobern, das von den Fran-
zosen ungeheuer stark besetzt war. Jedes Haus mußte erobert werden, und da sich auch
die Einwohnerschaft am Kampfe betheiligte und an den Gefallenen scheußliche Greuel
verübte, so steigerte sich die Erbitterung der Baiern zu wahrer Wuth, vor der kein
Feind Stand zu halten vermochte; am Nachmittag eilten hier die Franzosen in hellen
Haufen der Festung zu. Denselben Erfolg hatten die Anstrengungen der IV. Armee,
welche zuerst von Südosten her den Angriff begann, worauf sich allmählich auf der
ganzen Ostseite der Kampf entwickelte. Ueberall wurden die Franzosen aus ihren
Stellungen geworfen _ und ihre heftigen Angriffe von dem sicheren Artilleriefeuer der
Deutschen zurückgewiesen, so daß sie auch auf dieser Seite sich immer mehr gegen die
Festung zurückziehen mußten; mittags um 3 Uhr hatte die IV. Armee bei dem
Dorfe Jlly den Punkt erreicht, wo sie der die Westseite umgehenden III. Armee die
§anb_ reichte. Diese hatte seit dem Morgen die Maas überschritten und den Feind
nach etnem kurzen, aber sehr hartnäckigen Gefecht, zwifchen die Dörfer Floing und Jlly (im
Norden von L-edan) zurückgedrängt. Hier hatten sich die Franzosen auf einer weit
nach Westen vorsprmgenden Bergnase eine sehr starke Stellung geschaffen. Doch muß-
ten sie bald erkennen, daß dieselbe unhaltbar war, denn schon wurden sie von baierischen
Batterien im Rücken und in der Flanke beschossen. So befanden sich hier die sranzösi-
?chen Truppen in einem Kreuzfeuer, hielten dasselbe aber mehrere Stunden aus und
wehrten sich mit dem Muthe der Verzweiflung. Mehrfache gewaltige Cavallerieangriffe,
die }\t machten, um durchzubrechen, wurden durch ein ruhiges, wohlgezieltes Feuer ab-
gewlesen, welches die Mehrzahl der Angreifer zu Boden streckte und den Rest aus Sedan
zurückwarf. Nach dieser Flucht der Eavallerie hielt auch die Infanterie nicht mehr Stand
und zog stch fluchtartig nach Sedan. Es war mittags 2 Uhr, als die Vereinigung der III.
und IV. Armee bei Jlly stattfand. So war die vollständige Einschließung der Armee
nn freien Felde vollzogen. Nun begann ein Geschützkampf ohne Gleichen: rinas von
den Höhen spieen 4 — 500 Geschütze Tod und Verderben in die aufgelösten, dicht ge-
drängten Massen der französischen Armee, in welcher die Verwirrung und Verzweiflung
den höchsten Grad erreichte. Mac Mahon war schon am Morgen verwundet worden.
Sein Stellvertreter, General Wimpffen, hatte einen Versuch gemacht, zuerst gegen Westen,
dann gegen Osten sich durchzuschlagen, — es war vergebens. Ohne Möglichkeit eines
Auswegs oder auch nur eines Widerstands sah sich die französische Armee gezwungen,
zu capituliren. Außer den 25,000 Mann, welche während der Kämpfe um Sedan zu
Awngenen gemacht worden waren, fielen noch 83,000 Mann, darunter 1 Marschall
(Mac Mahan), 40 Generale, 230 Stabsoffiziere, 2600 Offiziere, viele Hunderte von
^ "nö Festungsgeschützen, Tausende von Pferden in die Hände der Deutschen. Die
ganze Armee wurde kriegsgefangen nach Deutschland abgeführt. Napoleon, der sich für
lerne Person dem ßönig Wilhelm ergab, erhielt, nach einer denkwürdigen Zusammen-
bei Cassel Monarchen, eine ehrenvolle Gefangenschaft auf Schloß Wilhelmshöhe
Dittmar, Seitfaben der Weltgesch. 7. Aufl. c