fullscreen: Die Vaterlands- und Weltkunde (Theil 2)

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kürzer ist, als bet um Afrika herum? Auch manche Erzählungen portugiesischer 
Seeleute schienen darauf hinzuweisen, daß im Westen Land zu finden ser. Man 
habe, hieß es, zuweilen ungewöhnlich großes Schilfrohr, künstlich bearbeitetes 
Holz, ja einmal sogar zwei Leichname von ganz eigenthümlicher Körperbildung 
von Westen her über's Meer schwimmen und an's Land treiben sehen. Es 
wurde daher der feurigste Wunsch des Columbus, eine Entdeckungsfahrt nach 
Westen hin zu unternehmen. Zuerst machte er seiner Vaterstadt Genua das 
Anerbieten und verlangte einige Schiffe. Allein man erwiderte ihm: „Du bist 
ein Träumer", und wies ihn ab. Hierauf wandte er sich an den König von 
Portugal; doch ebenfalls umsonst. Nun ging er nach Spanien; aber auch hier 
dauerte es acht lange Jahre, bis der beharrliche Mann mit seinem Vorhaben 
durchbranq. Endlich gab ihm die Regierung im Jahre 1492 drei kleine Schiffe 
und 90 Mann, um die große Reise anzutreten. 
2. Voll kühnen Muthes fuhr nun Columbus in's wilde, unbekannte Meer 
hinaus. Der Wind blies günstig, und pfeilschnell flogen die Schiffe dahin. 
Aber wo fand sich das gesuchte Land? Sechszig Tage hatte die Fahrt schon 
gedauert, und noch immer sah man nichts, als die unendliche Wasserwüste 
ringsum und darüber die weite Himmelsdecke. Da ergriff Angst auch die Be¬ 
herztesten unter den Schiffsleutcn. „Was soll aus uns werden?" fragten sie 
zitternd. „Er führt uns in den gewissen Untergang." Nur Columbus verlor 
keinen Augenblick den Muth. „Seid getrost", rief er den Verzagten zu, „bald 
ist das Ziel erreicht." Und unermüdet stand er Tag und Nacht auf dem Ver¬ 
deck und beobachtete und leitete alles. Aber endlich versagte ihm die verzwei¬ 
felnde Mannschaft den Gehorsam. In wilder Wuth stürzen die Matrosen auf 
ihn los und drohen ihn über Bord zu werfen, wenn er nicht alsbald umkehre. 
„Nur drei Tage noch fordere ich", erwidert Columbus, „sehen wir dann kein 
Land, so fahren wir heimwärts." Das nahmen die Empörten an. Und siehe, 
schon am folgenden Tage erreichte das Senkblei den Meeresgrund; Rohr und 
ein Baumast mit rothen Beeren schwammen aus sie zu, und Landvögel flogen 
auf die Masten. Die Sonne ging unter; noch sah man nichts. Doch ließ 
Columbus die Segel einreffen, um nicht etwa bei Nacht auf Klippen getrieben 
zu werden. Gegen Mitternacht erblickte man ein Licht in der Ferne. „Land! 
Land!" erscholl es jetzt aus jeder Brust; man stürzte einander in die Arme, 
alle weinten vor Freude und baten knieend den Columbus um Verzeihung. 
Als der Morgen anbrach — es war am 70sten Tage nach der Abfahrt — 
sahen sie eine schöne grüne Insel vor sich liegen. 
3. Mit Sonnenaufgang ruderten fle nun unter kriegerischer Musik an's 
Land; Columbus, eine Fahne in der einen Hand, einen Degen in der andern, 
war der erste, der die neue Welt betrat. Nachdem er mit der ganzen Mann¬ 
schaft Gott aus den Knieen gedankt, nahm er die Insel feierlich für den König 
von Spanien in Besitz. Die Inselbewohner, welche von allen Seiten am Ufer 
zusammengeströmt waren, betrachteten mit Erstaunen die weißen Männer, ihre 
Kleidung, Schiffe und Waffen. Niemals hatten sie solcherlei gesehen. Sie 
selbst waren nackt, von kupferrother Hautfarbe; viele trugen als Zierrath Gold¬ 
bleche in Nase und Ohren. Ihre Insel nannten sie G u an ah ani; Columbus 
aber gab ihr den Namen San Salvador, d. i. Erlöserinsel. Nach kurzem 
Verweilen setzte er dann seine Entdeckungsfahrt weiter fort und fand die großen 
Inseln Kuba und Hayti (San Domingo). Sie waren mit dem üppigsten 
Pflanzenwuchse bedeckt, aber von Anbau zeigte sich keine Spur; Herden nackter 
Menschen rannten thierähnlich umher und flohen beim Anblick der fremden 
Menschen wie schüchterne Rehe. Allmählich jedoch wurden sie zutraulicher und 
brachten Wurzeln, Früchte, Papageien und Fische herbei. Was sie an Gold¬ 
blechen hatten, gaben sie den gierigen Spaniern für gefärbte Scherben und 
blinkendes Glas gern hin. Columbus ließ auf Hayti eine kleine Festung 
erbauen, in welcher 38 Spanier zurückblieben; mit seinen übrigen Gefährten 
trat er dann die Heimreise an, um die wichtige Entdeckung in Europa zu 
verkünden.
	        
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