Full text: Vaterländische Geschichte

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3. Erste Thaten. Friedrich Wilhelm war demnach „ein 
Herrscher ohne Land, ein Kurfürst ohne Macht, ein 
Erbe ohne Erbteil." Allein er verzagte nicht. Sein Wahl¬ 
spruch lautete: „Gott meine Stärke!" Mit Einsicht und Kraft 
ging er im Vertrauen auf Gottes Hilfe an seine schwere Aufgabe. 
Zunächst mußte er Herr im Lande werden. Deshalb entließ 
er alle kaiserlichen Soldaten, welche ihm nicht Treue schwören 
wollten, und schaffte sich ein eigenes, stehendes Heer von 3000 
Mann. Dann schloß er mit den Schweden einen Waffenstillstand, 
damit sein Land von diesen Scharen gesäubert würde. In kurzer 
Zeit vermehrte er das Heer auf 8000 Mann. Auch erreichte er 
von Polen die Belehnung mit Preußen und sicherte sich die 
rheinischen Besitzungen durch seine Vermählung mit Luise 
Henriette, der Tochter des Statthalters der Niederlande. 
Langsam atmete nun das unglückliche Land wieder auf, und im 
westfälischen Frieden konnte der Kurfürst schon ein ent¬ 
scheidendes Wort mitsprechen. Der letzte Herzog von Pommern 
war gestorben, und so hatte Friedrich Wilhelm Anspruch auf ganz 
Pommern. Wenn er auch Vorpommern nicht erhielt, so gewann 
er doch größere und schönere Gebiete, als er in Pommern verlor 
(S. 51). Außer dem Kaiser hatten nun die Hohenzollern den 
größten Besitz in Deutschland. 
4. Einrichtung eines wohlgerüsteten stehenden Heeres. Wohl 
nie hat ein Staatswesen so ungünstige Grenzen gehabt wie das des großen 
Kurfürsten. Sein Gebiet reichte zwar von der Memel bis zum Rhein, be¬ 
stand aber aus drei weit auseinander liegenden Ländergruppen. Die Haupt¬ 
masse, die sich um Brandenburg gruppierte, nahm sich ganz stattlich 
aus. Aber von ihr war das schmale Ostpreußen durch das polnische 
Westpreußen getrennt, und die westlichen Gebiete erschienen nur wie 
Nester, die der Zufall in Westdeutschland eingestreut hatte. Spottend nannte 
man Friedrich Wilhelms Monarchie „das Reich der langen Grenzen". 
„Feinde ringsum!" so hieß es für den Kurfürsten nach dem westfälischen 
Frieden. Das gewaltige Schweden strebte nach dem Besitze aller Ostseeländer 
und mußte darum Brandenburg an der Ostsee verjagen. Das große König¬ 
reich Polen wollte gern Ostpreußen ganz gewinnen. Ferner sahen die deutschen 
Nachbarn sich von dem bedeutend angewachsenen Brandenburg überflügelt und 
legten ihm manche Hindernisse in den Weg. Auch der Kaiser empfand dieses 
Emporkommen bedrohlich und suchte sein Fortschreiten zu hemmen. Endlich 
konnten tue Besitzungen im Westen leicht Streit mit dem eroberungssüchtiaen 
Frankreich bringen. 
Diese schwierige Lage versetzte den Kurfürsten in die Notwendig¬ 
keit, stets ein schlagfertiges Heer zur Verfügung zu haben. Seine 
Vorfahren hatten immer erst im Kriegsfälle Truppen angeworben 
und dieselben nach Beendigung des Krieges entlassen. Friedrich 
Wilhelm richtete nun wie die meisten Fürsten der großen Nachbar¬ 
länder ein stehendes Heer ein und brachte es nach und nach 
aus 26 000 Mann. Zu Offizieren nahm er meist Adelige aus 
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