— 63 —
3. Erste Thaten. Friedrich Wilhelm war demnach „ein
Herrscher ohne Land, ein Kurfürst ohne Macht, ein
Erbe ohne Erbteil." Allein er verzagte nicht. Sein Wahl¬
spruch lautete: „Gott meine Stärke!" Mit Einsicht und Kraft
ging er im Vertrauen auf Gottes Hilfe an seine schwere Aufgabe.
Zunächst mußte er Herr im Lande werden. Deshalb entließ
er alle kaiserlichen Soldaten, welche ihm nicht Treue schwören
wollten, und schaffte sich ein eigenes, stehendes Heer von 3000
Mann. Dann schloß er mit den Schweden einen Waffenstillstand,
damit sein Land von diesen Scharen gesäubert würde. In kurzer
Zeit vermehrte er das Heer auf 8000 Mann. Auch erreichte er
von Polen die Belehnung mit Preußen und sicherte sich die
rheinischen Besitzungen durch seine Vermählung mit Luise
Henriette, der Tochter des Statthalters der Niederlande.
Langsam atmete nun das unglückliche Land wieder auf, und im
westfälischen Frieden konnte der Kurfürst schon ein ent¬
scheidendes Wort mitsprechen. Der letzte Herzog von Pommern
war gestorben, und so hatte Friedrich Wilhelm Anspruch auf ganz
Pommern. Wenn er auch Vorpommern nicht erhielt, so gewann
er doch größere und schönere Gebiete, als er in Pommern verlor
(S. 51). Außer dem Kaiser hatten nun die Hohenzollern den
größten Besitz in Deutschland.
4. Einrichtung eines wohlgerüsteten stehenden Heeres. Wohl
nie hat ein Staatswesen so ungünstige Grenzen gehabt wie das des großen
Kurfürsten. Sein Gebiet reichte zwar von der Memel bis zum Rhein, be¬
stand aber aus drei weit auseinander liegenden Ländergruppen. Die Haupt¬
masse, die sich um Brandenburg gruppierte, nahm sich ganz stattlich
aus. Aber von ihr war das schmale Ostpreußen durch das polnische
Westpreußen getrennt, und die westlichen Gebiete erschienen nur wie
Nester, die der Zufall in Westdeutschland eingestreut hatte. Spottend nannte
man Friedrich Wilhelms Monarchie „das Reich der langen Grenzen".
„Feinde ringsum!" so hieß es für den Kurfürsten nach dem westfälischen
Frieden. Das gewaltige Schweden strebte nach dem Besitze aller Ostseeländer
und mußte darum Brandenburg an der Ostsee verjagen. Das große König¬
reich Polen wollte gern Ostpreußen ganz gewinnen. Ferner sahen die deutschen
Nachbarn sich von dem bedeutend angewachsenen Brandenburg überflügelt und
legten ihm manche Hindernisse in den Weg. Auch der Kaiser empfand dieses
Emporkommen bedrohlich und suchte sein Fortschreiten zu hemmen. Endlich
konnten tue Besitzungen im Westen leicht Streit mit dem eroberungssüchtiaen
Frankreich bringen.
Diese schwierige Lage versetzte den Kurfürsten in die Notwendig¬
keit, stets ein schlagfertiges Heer zur Verfügung zu haben. Seine
Vorfahren hatten immer erst im Kriegsfälle Truppen angeworben
und dieselben nach Beendigung des Krieges entlassen. Friedrich
Wilhelm richtete nun wie die meisten Fürsten der großen Nachbar¬
länder ein stehendes Heer ein und brachte es nach und nach
aus 26 000 Mann. Zu Offizieren nahm er meist Adelige aus
5*