Object: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

13. Geiserich. 
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germanischen Völker gesichert gewesen. So sicher schien das Land vor 
allen Angriffen der deutschen Barbaren bewahrt zu sein, daß viele Vor¬ 
nehme aus Italien und Spanien sich mit ihren Schätzen dorthin flüch¬ 
teten. Der Westgothenkönig Alarich hatte den Plan gehabt, von Un¬ 
teritalien nach Sicilien und von dort nach Afrika überzusetzen; sein un¬ 
erwarteter Tod hinderte ihn an der Ausführung. Sein zweiter Nach¬ 
folger Wallia wollte mit den Westgothen nach der reichen Provinz Afrika 
übersetzen, als aber seine Flotte in der Meerenge durch Stürme einen 
großen Verlust erlitten hatte, gab er das Unternehmen auf. Bald darauf 
erhielten die Vandalen unter ihrem Könige Gunderich (406—427) 
das Uebergewicht in Spanien und machten von ihren Wohnsitzen in 
Andalusien schon einen glücklichen Streifzug an die afrikanische Küste 
(Mauretanien), als sie von dem römischen Statthalter Afrikas, Boni- 
facins, der durch die Ränke seines Gegners Aetius bei der Kaiserin- 
Mutter Placidia in Ungnade gefallen und in seiner Stellung bedroht 
war, nach Afrika zu Hülfe gerufen wurden. Um diese Zeit war Gun¬ 
derich gestorben und ihm sein natürlicher Bruder Geis er ich gefolgt, 
wahrscheinlich weil die Söhne Gnnderich's noch unmündig waren. 
Geiserich war von mittlerer Größe und, wie Timur, in Folge eines 
Sturzes vom Pferde hinkend. Sein tief sinnender Geist äußerte sich 
nur in seltenen und wenigen Worten; er war ein Verächter der Schwel¬ 
gerei, dagegen dem Zorne und der Habsucht ergeben. Eine besondere 
Geschicklichkeit, andere Völker für sich zu gewinnen und nach seinem 
Willen zu lenken, war ihm eigen, und er benutzte diesen Einfluß häu- 
sig genug, den Samen des Hasses und der Zwietracht auszustreuen. 
Mit persönlicher Tapferkeit im Kriege verband er eine eben so große 
Gewandtheit in der Anwendung strategischer Ucberlistungen, und eine 
ausgezeichnete Entschlossenheit und Thatkraft. 
Einem barbarischen Könige von diesen Geistesgaben mußte natürlich 
eine Gelegenheit zu neuen Kriegsthaten höchst willkommen sein, welche 
außerdem noch das beste Mittel war, etwaigen inneren Unruhen wegen der 
nicht ganz gesetzmäßigen Nachfolge eines natürlichen Bruders vorzu¬ 
beugen. Geiserich rüstete sich demnach, der Einladung des Bonifacius 
folgend, nach Afrika zu ziehen. 
Kaum waren die Vandalen gelandet, als ihr Bundesgenosse Boni¬ 
facius sich wieder mit der Kaiserin-Mutter Placidia versöhnte. Diese 
hatte nämlich vertraute Freunde des Empörers, von deren Treue auch 
sie überzeugt war, nach Karthago geschickt, um, wenn etwa ein Miß- 
verständniß zu Grunde läge, den Frieden wieder herzustellcn. Bonifa¬ 
cius legte einen Brief des Aetius vor, worin dieser unter dem Scheine 
der Freundschaft ihn benachrichtigt hatte, daß die Kaiserin-Mutter ihm 
nachstelle und ihn aus dem Wege räumen wolle. Placidia verzieh ihm 
völlig wegen des Betruges, worin Aetius sie Beide zu gleicher Zeit 
verstrickt hatte. Als nun Bonifacius wieder mit dem Reiche versöhnt 
war, bot er auch Alles auf, um sein Unrecht wieder gut zu machen. 
Durch Bitten und Versprechungen aller Art suchte er Geiserich dahin
	        
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