VI. Balladen und Romanzen.
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2. „Du hast der Götter Gunst er—
fahren!
Die vormals deinesgleichen waren,
Sie zwingt jetzt deines Scepters Macht.
Doch einer lebt noch, sie zu rächen;
Dich kann mein Mund nicht glücklich
sprechen,
So lang' des Feindes Auge wacht.“ —
3. Und eh' der König noch geendet,
Da stellt sich, von Milet gesendet,
Ein Bote dem Tyrannen dar:
„Laß, Herr, des Opfers Düfte steigen
Und mit des Lorbeers muntern Zweigen
Bekränze dir dein festlich Haar!
4. „Getroffen sank dein Feind vom
Speere;
Mich sendet mit der frohen Märe
Dein treuer Feldherr Polydor“ —
Und nimmt aus einem schwarzen Becken,
Noch blutig, zu der beiden Schrecken,
Ein wohlbekanntes Haupt hervor.
5. Der König tritt zurück mit Grauen;
„Doch warn' ich dich, dem Glück zu
trauen“
Versetzt er mit besorgtem Blick.
„Bedenk', auf ungetreuen Wellen —
Wie leicht kann sie der Sturm zer—
schellen!
Flotte zweifelnd
Glück.“
N Das hört der Gastfreund mit
Entsetzen:
„Fürwahr, ich muß dich glücklich
schätzen!
Doch“, spricht er, „zittr' ich für dein
Heil.
Mir grauet vor der Götter Neide;
Des Lebens ungemischte Freude
Ward keinem Irdischen zuteil.
10. „Auch mir ist alles wohl—
geraten,
Bei allen meinen Herrscherthaten
Begleitet' mich des Himmels Huld;
Doch hatt' ich einen teuern Erben,
Den nahm mir Gott! ich sah ihn
sterben;
Dem Glück bezahlt' ich meine Schuld.
11. „Drum, willst du dich vor Leid
bewahren,
So flehe zu den Unsichtbaren,
Daß sie zum Glück den Schmerz ver—
leihn.
Noch keinen sah ich glücklich enden,
Auf den mit immer vollen Händen
Die Götter ihre Gaben streun.
12. „Und wenn's die Götter nicht
gewähren,
So acht' auf eines Freundes Lehren
Und rufe selbst das Unglück her;
Und was von allen deinen Schätzen
Dein Herz am höchsten mag ergötzen,
Das nimm und wirf's in dieses Meer!“
6. Und eh' er noch das Wort ge—
sprochen,
Hat ihn der Jubel unterbrochen,
Der von der Rhede jauchzend schallt;
Mit fremden Schätzen reich beladen
Kehrt zu den heimischen Gestaden
Der Schiffe mastenreicher Wald.
7. Der königliche Gast erstaunet:
„Dein Glück ist heute gut gelaunet,
Doch fürchte seinen Unbestand.
Der Kreter waffenkund'ge Scharen
Bedräuen dich mit Kriegsgefahren;
Schon nahe sind sie diesem Strand.“
8. Und eh' ihm noch das Wort
entfallen
Da sieht man's von den Schiffen wallen,
Und tausend Stimmen rufen: Sieg!
Von Feindesnot sind wir befreiet,
Die Kreter hat der Sturm zerstreuet,
Vorbei, geendet ist der Krieg!“
13. Und jener spricht, von Furcht
beweget:
„Von allem, was die Insel heget,
Ist dieser Ring mein höchstes Gut.
Ihn will ich den Erinnen weihen,
Ob sie mein Glück mir dann ver—
zeihen“ —
Und wirft das Kleinod in die Flut.
14. Und bei des nächsten Morgens
Lichte,
Da tritt mit fröhlichem Gesichte
Ein Fischer vor den Fürsten hin:
„Herr, diesen Fisch hab' ich gefangen
Wie keiner noch ins Netz gegangen;
Dir zum Geschenke bring' ich ihn.“