Honorius' letzte Negierungsjahre. Johannes. Valentinianus Ili. 187
werden. Der schwankende römische Herscherthron konnte nur in einer Deutsche
gegen Deutsche benützenden Politik noch Fristung suchen und hoffen. Die
Alemannen, im Westen von den Burgundern gehindert, drangen in deren
Norden über den Rhein die Mosel aufwärts vor und die Franken breiteten
sich immer weiter in Belgien ans. Sächsische Seeräuber endlich nahmen
an der Nordküste immer wieder Niederlassungen als Anhaltpunkte für Naub-
züge in das Jnnre des Landes H. Seit Stilicho zum Schutz Italiens die
Legionen der Grenzländer herbeizuziehn sich genötigt gesehn hatte, waren
Britanniens Bewohner zur Abwehr der Picten^) und der Deutschen Lan¬
dungen auf sich selbst angewiesen. Zwar ward gegen das Ende von Honorius'
Negierung noch einmal eine Legion nach der Insel gesandt, aber sie gewärte
nur vorübergehend Schutz. Factisch hörte die Römerherschaft dort auf, so
weit nicht die von ihr eingeführten Einrichtungen und besonders das Christen¬
tum ihre*haltende und bindende Kraft bewärten. Die Not trieb übrigens die
Briten zu engrer Verbindung mit den von den Sachsen gleicherweise bedrohten
und heimgesuchten Stammesgenossen in Armorica (Bretagne)^), welche ihrer¬
seits ebenfalls eine selbständigere Stellung zu Rom einzunehmen genötigt
waren. Was das Gebot der Not erheischte, ward von Honorius durch ein
Edict den noch nicht seiner Herschaft entrissnen Teilen des südlichen Galliens
(den sieben Provinzen) gewärt. Eine jährliche Versammlung der Be¬
amten und Vertreter der Grundeigentümer, so wie die Bischöfe der Kirche,
sollten über die zum Heile des Landes dienenden Maßregeln beraten, Anträge
darüber stellen und über gleichmäßige Verteilung und Minderung der Steuern
verfügen. Was hätte diese Einrichtung nützen können, wäre sie früher getroffen
worden, als die römische Bevölkerung noch kräftig, noch nicht in das tiefe
Verderben gefallen war?
2. Plaeidia hatte endlich ihren Widerwillen gegen erzwungne Heirat
aufgegeben und sich Constantius vermält, mit dem sie eine glückliche Ehe
führte. Soll mau Ehrgeiz und Herschsucht oder Verlangen des seinem Ver¬
dienst gebürendeu Lohns und Sorge für des Reichs Ruhm und Sicherheit
dabei voraussetzen, wenn er seine Ernennung zum Augustus und Mitregenten
erzwang? Nur sieben Monate erfreute er sich dieser Würde; denn er starb
Anfang 421. Honorius unwürdiges Benehmen gegen die verwitwete Schwester
führte bereits zu Tumulten, welchen jene dadurch, daß sie mit ihren beiden
Kindern nach Coustantinopel floh, ein Ende machte. Kurze Zeit darauf
(Aug. 423) machte die Wassersucht dem Leben des Honorius ein Ende.
Stumpfsinnig und gleichgültig gegen die wahren und wichtigen 'Interessen,
aber nicht gegen die Einflüsterungen gemeiner Leidenschaft, war er mehr
geeignet den Untergang seines Reichs zu fördern, als aufzuhalten; selbst den
Instituten, welche noch ihre Dauerhaftigkeit bewärten, wurde ein nicht wieder
gut zu machender Stoß beigebracht. Der Geheimschrciber (primiesrirm)
Johannes bemächtigte sich des Throns, über welchen keine Verfügung vor¬
handen war. Zwar huldigte ihm nur Italien, wärend der Statthalter Afrika's
Bonifacius der Kaiserfamilie Treue hielt, doch auf fremden Beistand konnte
1) Littus Saxomcum (beim heutigen Bayeur). S. Lappenberg Gesch. von Eng¬
land I S. 44. — 2) Die Scoten wanderten ans Irland in Caledonien ein und ge¬
wannen als rohe Krieger die Herschaft über die stammverwandten Bewohner. Von
beu Picken (Peghtcn) ist dasselbe wahrscheinlich. Lappenb. a. a. O. t S. 63. —
3) Die Anlegung einer ans Briten bestehenden Militärcolonie zur Zeit des Marimus
(§ 45, 2) trug zur Erneurung der altern Verbindung wesentlich bei. Lappenb. I
S. 56.