Full text: Abriß der österreichischen Vaterlandskunde für die k. k. Untergymnasien

Luft der Täler half wohl auch die Menschen behäbig, üppig und weich 
machen. Nur in den höheren Gebirgslagen wird man an die rauhe, 
sprunghafte, einen verzärtelten Körper aufreibende Witterung der 
süddeutschen Hochflächen erinnert. 
Die klimatischen Unterschiede bedingen verschiedene Ernährungs- 5 
weise, Lebensart und Sitte. Es ist ein Glück, kein Verdienst unserer 
Alpenzone und ihres Vorlandes, daß sie dem gesunden Bier weitaus 
den Vorzug vor dem vergiftenden Branntwein gegeben haben. Ander¬ 
seits ist der häufige Teegenuß im Norden nicht sowohl ein Wahrzeichen 
höherer Bildung als tieferer Bodenlage. Wenn sich der Engländer 10 
oder Niedersachse auf einer Höhe von 2000 Fuß und darüber dauernd 
ansiedelt, dann mäßigt er allmählich von selber sein Teetrinken. Der 
moderne Verkehr wirkt allerdings ausgleichend auf die geographische 
Verbreitung der Nahrungs- und Genußmittel. Das bayrische Bier 
erobert den Norden, und die Seefische der Nord- und Ostsee kommen i-, 
jetzt in früher ganz ungeahnten Massen nach dem Süden. Die rohen 
Schinken und ungekochten Mettwürste würden in ganz Süddeutschland 
verbreitet sein, wenn ihrem rapiden Eroberungszug, der in den 
fünfziger Fahren begann, nicht durch die Trichinen Halt geboten 
worden wäre. Am meisten ausgleichend wirkt die „europäische" Gast- ¿0 
Hofsküche. Allein im Bürgerhause und bei den Bauern bewahren 
sich doch die alten klimatisch wohlbegründeten Unterschiede. Der aus¬ 
gleichende Einfluß des Austausches der Nahrungs- und Genußmittel 
auf die gesamte Lebensweise und Sitte ist da noch überall sehr gering. 
Nur das Übersiedeln ganzer Familien von einer Zone Deutschlands 25 
zur anderen wirkt hier kräftiger; denn bis zur zweiten Generation be¬ 
haupten die Eingewanderten oft ihre Lebensart, selbst dem Klima 
zum Trotz. Das hat gar mancher schon schwer gebüßt. Wenn der 
Pfälzer oder Franke aus seinem weichen, milden Klima in die harte, 
frische Münchener Hochluft kommt und hier sich kleidet und lebt wie so 
zu Hause und schließlich krank wird, dann klagt er sehr mit Unrecht 
das gesunde, nervenstärkende Münchener Klima an, wo er doch nur 
sich selbst anklagen sollte. Der Süddeutsche fügt sich in der Fremde 
leichter in fremde Art und Sitte als der Mittel- und Norddeutsche, 
der gleich dem Engländer überall zu finden begehrt, was er zu Hause 35 
gewöhnt ist. 
Die Isothermen neigen sich im Osten Deutschlands gegen Süden 
herab und steigen im Westen gegen Norden auf. So erscheint also 
der Westen, das rheinische Land, die breite Basis des mitteldeutschen 
Dreiecks, mit dem gleichförmig mildesten Klima gesegnet. Am frühesten ao
	        
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