Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

50. Schweizer Industrie. 
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fleißigen Häuser Außer-⸗Rhodens. Appenzell und St. Gallen lassen 
sogar bis tief nach Württemberg und Baden hinein die armen Dorf— 
bewohner teilnehmen an dieser Industrie, welche ihre Ware weithin 
„übers Meer“ sendet, wie die Stickerinnen mit einem gewissen Stolz 
dem Fremden berichten, wenn er sie wegen des Absatzes befragt. 
Mit der Musselinweberei allein beschäftigen sich gegenwärtig 
in Außer-Rhoden gegen 11000 Personen; das feinste weiße Baum— 
wollengarn wird. wie Seide in Vorhänge und Halstücher, Hauben und 
Schleier hineingestickt, die gefärbte Baumwolle aber zu Schürzen, Tur⸗ 
banen, Tapeten, Chorhemden, Manschetten, Bettdecken, Tauftüchern, 
Shawls u. s. w. verarbeitet. 
In St. Gallen sind die reichsten Läden, wo man die feinsten 
Taschentücher, es gibt deren das Stück zu 150 Franken, mit den feinsten 
Weißstickereien, die prachtvollsten auf Tüll gestickten, mit farbiger Seide 
und erhabener Arbeit gezierten Vorhänge, die luftigsten Schleier und 
Spitzenkleider bewundern kann. 
Die Paläste von Petersburg und Paris finden da ebenso den 
Schmuck für ihre Prachtzimmer, wie die Damen, welche mit ihrer 
Toilette in diesen Zimmern glänzen. Aber auch die farbigen Stoffe, 
aus denen der Muselmann seinen Turban zusammenwickelt, und die 
mit Gold- und Silberstreifen prangenden Rideaux, bestimmt, in den 
Staatszimmern des Orients zu glänzen, sind da zu sehen, neben aber— 
teuerlich aufgeputzten Roben, in denen Mulattin und Negerin einher— 
stolzieren. So ein Laden in St. Gallen ist nicht minder sehenswert als 
die Appenzeller Häuser und ihre rührigen Insassen. 
2. Uhrenfabrikation in Genf und Neuenburg. 
Wenn man in Gedanken ein paar Jahrhunderte zurückgeht in jene 
Zeit, wo die Taschenuhren weder Spiralfeder noch Unruhe und 
Schnecke hatten und statt der Kette eine Darmsaite gebraucht wurde, 
oder wo die „Nürnberger Eier“ sehr zierliche Uhren waren, und zwei 
bis drei Gehäuse die Schwere der kleinen Maschine noch vermehrten, 
und wenn man nun unsere neuen Uhren betrachtet, in denen durch 
sorgfältig eingerichtete Hemmung von Cylindern bereits die Schnecken 
wieder entbehrlich geworden, die Hauptzapfenlöcher in Rubin gebohrt 
sind, und durch den sinnreichsten Mechanismus es möglich geworden 
ist, die Uhren so klein und flach zu machen, daß man sie in einen 
Fingerring oder auf ein Armband einfügen kann: so erstaunt man billig 
über die rastlose Arbeit und den staunenswerten Fortschritt des Menschen— 
geistes. Wer auf der Industrie⸗Ausstellung in Bern (1857) war, konnte
	        
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