Object: Leitfaden für den Unterricht in der Geschichte

290 England. Deutschland. Schweiz. 
In England that eine Reform des Parlaments und eine gerechtere 
Behandlung Irlands am meisten Noth. Die Freilassung der Sklaven wurde 
unter dem Ministerium Canning angebahnt und der Sklavenhandel wie See¬ 
räuberei behandelt. Aber die Emancipation der Katholiken, für welche der 
irische Advokat Daniel O'Eonnell hauptsächlich thätig war, wurde erst nach 
Cannings Tod unter dem Ministerium Wellington durchgesetzt. Dadurch erst 
bekamen die Katholiken, also auch die Irländer, Zutritt zu den beiden Häu¬ 
sern des Parlaments und zu den Staatsämtern (einige wenige ausgenommen). 
Nach der Juli-Revolution verlangte das Volk, daß das Parlament nicht mehr 
bloß ein Privilegium der Aristokratie sein, sondern daß auch der Mittelstand 
das Recht haben solle, Abgeordnete in das Unterhaus zu wählen. Unter dem 
König Wilhelm IV., dem Nachfolger Georgs IV. wurde diese Forderung von 
1832. dem reformfreundlichen Ministerium Grey durchgesetzt. Mit dem Regierungs- 
20.Juni 1837.antritt der Königin Viktoria begannen in England ^wichtige Reformen auf 
dem Gebiet des Handelswesens (Korngesetze, Robert Peel, Richard Cobden) 
und glückliche Feldzüge in Hinterindien, im Pendschab und in China. 
In Deutschland war es besonders der Norden, welcher den Einwir¬ 
kungen der französischen Revolution ausgesetzt war. Die Regierungen von 
Kurhessen, Sachsen und Hannover sahen sich veranlaßt, den Wünschen des 
Volkes nachzugeben und eine dem Geiste der neueren Zeit mehr entsprechende 
Verfassung zu vereinbaren. In Braunschweig, wo der Herzog Karl, der Sohn 
des Helden von 1809, mit großer Willkür regierte, kam es zu einem so hef¬ 
tigen Konflikt, daß das Volk das Schloß erstürmte, dasselbe in Brand steckte 
7. Sept. 1830. und den Fürsten in die Verbannung trieb. Statt seiner wurde vom Volk und 
vom Bundestag sein Bruder Wilhelm als Herzog anerkannt, welches auch eine 
neue Verfassung gab. Erst der Fall Polens brachte auch Süddeutschland in 
24. Mai 1832. stürmische Bewegung. Das Hambacher Fest in Rheinbaiern, wo man von einer 
3. April 1833. „Republikanisirung" ganz Deutschlands sprach, und das Frankfurter Attentat, 
wodurch der Bundestag gesprengt und Deutschland revolutionirt werden sollte, 
waren die letzten Wellenschläge der Julitage von Paris und hatten ein schär¬ 
feres Regiment, eine neue Auflage der Karlsbader Beschlüsse zur Folge. 
Die Regierungen der 22 Kantone der Schweiz waren bisher meist 
aristokratisch. Einzelne bevorzugte Geschlechter, die Patricier, hatten ein ent¬ 
schiedenes Übergewicht; zwischen Stadt und Landschaft wurde streng unter¬ 
schieden, und die Bürger der letzteren hatten wenig Antheil an der Regierung. 
So hatte auch die Tagsatzung, welche sich abwechselnd an den drei Vororten, 
Bern, Zürich und Luzern, versammelte, ein sehr aristokratisches Gepräge. 
Daher hörte man auch in der Schweiz den allgemeinen Ruf nach Verfaffungs- 
reformen, nach Aufhebung aller Vorrechte, nach politischer Gleichstellung aller 
Bürger. In diesem Sinne wurde in den Kantonen Tessin (schon vor der 
Juli-Revolution), Thurgau, Zürich, Aargau, St. Gallen, Luzern, Solothurn, 
Freiburg, Waadt, Schaffhausen, Bern die Verfassung umgeändert. Basel 
1832. sträubte sich so sehr dagegen, daß es die Trennung in die zwei halben Kantone, 
Basel-Stadt und Basel-Landschaft, vorzog. 
Auch in Italien konnten die Ereignisse von Paris nicht spurlos vor¬ 
übergehen. Im Kirchenstaat gerieth, außer Rom und wenigen Städten, alles 
in Aufruhr; in Bologna wurde eine provisorische Regierung eingesetzt und die 
weltliche Herrschaft des Papstes für aufgehoben erklärt. Die Herzogtümer 
Parma und Modena wurden auch in den Kreis der Bewegung hineingezogen. 
Aber auch diesmal rückte ein östreichisches Heer unter General Frimont ein,
	        
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