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Die Erdachse beschreibt während des Jahres also nicht die Mantelfläche eines
Kegels, wie das z. B. die Achse eines Kreisels thut. sondern die eines ichiefen
Fylinders.
Diese eigenthümliche Stellung der Erdachse bringt es mit sich,
dass die einzelnen Theile der Erdoberfläche im Verlaufe eines Jahres
in verschiedene Lage zur Sonne kommen, dieselbe in verschiedener Höhe
iber sich sehen, und ungleich lange beschienen werden: sie bedingt also
den Wechsel der Jahreszeiten.
1. Stellung. 21. Juni. Die Erdachse hat eine solche Stellung,
dass der Nordpol der Sonne zugeneigt ist. Vergegenwärtigen wir uns
die Beleuchtungsgrenze (senkrecht auf die Richtung der Sonnenstrahlen),
und die Erde sich um ihre Achse drehend, so werden wir bemerken,
dass die ganze nör dliche Halbkugel während der größeren Hälfte der
Umdrehung sich auf der beleuchteten, während der kleineren auf der
unbeleuchteten Seite befindet. Die nördliche Halbkugel hat
also läuger Tag als Nacht. Der Nordpol selbst kommt während
der ganzen Umdrehung gar nicht auf die unbeleuchtete Seite; er wird
also 24 Stunden lang Tag haben und ebenso sämmtliche Orte in seiner
Umgebung bis auf 236,,0 Entfernung von ihm, also bis 66/,0
u. Br. Denn da die Beleuchtungsgrenze auf der Erdbahn senkrecht
steht, der Pol aber um 231,,0 gegen die Sonne geneigt ist, so ist ein—
euchtend, dass auch die Gebiete bis zu 231,,20 Entfernung vom Pol
auch dann noch von schrägen Sonnenstrahlen getroffen werden müssen,
wveun sie sich bei der Umdrehung auf der von der Sonne abgekehrten
Seite befinden.
Der auf die Erdoberfläche senkrechte Sonnenstrahl trifft in dieser
Stellung einen Parallelkreis, welcher auf der Nordhalbkugel verläuft,
uind zwar wird sich derselbe ebenfalls 231,,20 nördlich vom Aquator
befinden. Denn der Äquator, auf dessen Ebene die Erdachse senkrecht
ctteht, wird bei der Neigung dieser letzteren gegen die Sonne um ebenso—
ziele Grade von der Ebene der Erdbahn abweichen, als die Erdachse von
der Senkrechten abweicht.
Betrachten wir die südliche Halbkugel, so sehen wir, dass alle
hre Punkte während der größeren Hälfte der täglichen Umdrehung sich
auf der unbeleuchteten Seite befinden, sie haben also länger Nacht
als Tag. Der Südpol selbst und das ihm bis 661,,0 s. Breite
amgebende Gebiet kommt gar nicht auf die beleuchtete Seite, hier herrscht
24stündige Nacht.
In dieser Stellung hat also die nördliche Halbkugel lange Tage:
Sommer; die südliche kurze Tage: Winter.