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Angelegenheiten (Diplomatie, Heer und Reichsfinanzen). Diese werden in den
zwei Delegationen, aus dem österreichischen Reichsrate und dem ungarischen
Reichstage gewählten Körperschaften, parlamentarisch behandelt und. von drei
Reichsministern verwaltet. Außerdem gibt es noch Angelegenheiten, die
zwar nicht gemeinsam sind, aber nach gleichen Grundsätzen behandelt werden
sollen (die Zollgesetzgebung, indirekte Abgaben, das Geldwesen u. a.). Zur
Regelung dieser Angelegenheiten soll von zehn zu zehn Jahren eine neue
Vereinbarung, ein besonderer Vertrag, abgeschlossen werden.
7. Die Regierung der deutsch-liberalen Partei in Österreich.
Die Besetzung Bosniens und der Herzegowina.
Nachdem Baron Beust, seit dem Juni 1867 Reichskanzler, als Minister
des Äußern an die Spitze des ersten Reichsministeriums getreten war, über-
nahm in Österreich Ende Dezember das unter dem Präsidium des Fürsten
Carlos Auersperg gebildete „Bürgerministerium“ die Regierung. Die Mit-
zlieder dieses Ministeriums (die Grafen Taaffe und Potocki, Berger, Brestel, Giskra,
Hasner, Herbst, Plener) gehörten größtenteils der deutsch-liberalen Partei an.
Das Parlament schuf eine große Zahl wichtiger Gesetze: die Staatsfinanzen
wurden geregelt, die Justiz auch in den unteren Instanzen von der Verwaltung
getrennt, die Armee auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht mit drei-
jähriger Dienstzeit neu organisiert. Ein Ehegesetz gab die Ehegerichtsbarkeit
den weltlichen Gerichten zurück, ein Volksschulgesetz (1869) verlängerte die
Schulpflicht und entzog dem Klerus die Aufsicht über die Volksschule, Aber
das Ministerium fand bei der Partei der Konservativen und bei den Vertretern
der nichtdeutschen Völker Opposition, die immer heftiger wurde. Die Tschechen,
die sogar dem böhmischen Landtage fern geblieben waren, verlangten in einer
„Deklaration“ die Anerkennung des böhmischen Staatsrechtes, d.h. die Ver-
einigung der Länder Böhmen, Mähren und Schlesien (Länder der böhmischen
Krone) und lehnten die Teilnahme an den Verhandlungen des Abgeordneten-
hauses ab. Die Tschechen hofften, für ihren Staat eine ähnliche staatsrecht-
liche Stellung zu erringen, wie sie den Magyaren gewährt worden war, die
in diesem Staate wohnenden Deutschen aber fürchteten den Verlust ihrer
Nationalität. Der galizische Landtag forderte damals eine besondere Regierung
für Galizien. Diese nationalen Bestrebungen riefen im Ministerium Meinungs-
verschiedenheiten hervor.
Die Minister Taaffe, Potocki und Berger, welche die Verständigung mit
der „gesamten nationalen Opposition“ für notwendig erklärten, wurden im
Jänner 1870 ihres Amtes enthoben. Dann verließen die Konservativen das Ab-
geordnetenhaus und auch die Rumänen, Slowenen und Italiener verzichteten
auf ihre Parlamentssitze. Das Ministerium, das keine fruchtbare Tätigkeit mehr
entfalten konnte, erhielt im April die erbetene Entlassung.
In Ungarn wurde die Regierung seit dem Ausgleiche von der Deakpartei
geleitet. Von den Gesetzen, die in dieser Zeit beschlossen wurden, seien das