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schloß sich 1883 dem Zweibunde an. Die drei verbündeten Mächte verbürgten
sinander ihren Besitzstand. Dieser Dreibund sichert den Frieden in Europa.
Nach der Entlassung Taaffes bildeten die drei Parteien, die dessen Sturz
herbeigeführt hatten (die Vereinigte Linke, die Polen und die Konservativen).
ein Koalitionsministerium, an dessen Spitze der Fürst Alfred Windisch-
yrätz stand und das nur bis zum Juni 1895 im Amte blieb. Im Herbst wurde
der bisherige Statthalter Galiziens, Graf Badeni, zum Ministerpräsidenten
ernannt. Unter dem neuen Ministerium wurde eine durchgreifende Reform des
Steuerwesens mit der Einführung der progressiven Personaleinkommensteuer
zum Abschlusse gebracht. Im Sommer 1896 kam auch eine Wahlreform
zustande: den vier bisherigen Wahlkurien wurde eine fünfte mit allgemeinen
Wahlrechte angefügt. Die wichtigste Aufgabe des Ministeriums war aber die
Erneuerung des wirtschaftlichen Ausgleiches mit Ungarn. Badeni mußte sich
für die von den beiden Regierungen beschlossenen Vereinbarungen eine
Majorität schaffen. Damals war die neue Partei der Christlichsozialen in
den Vordergrund getreten. Sie kämpften gegen die Liberalen, das Großkapital,
aber auch gegen die Sozialdemokraten und gewannen im Wiener Gemeinde-
rate an Stelle der Liberalen die Majorität. Ihr Führer, Dr. Lueger, war schon
mehrmals zum Bürgermeister der Reichshauptstadt gewählt, aber nie vom
Kaiser bestätigt worden. Badeni gewann diese Partei dadurch, daß er die
Bestätigung befürwortete und erwirkte. Die Tschechen gewann er durch
Sprachenverordnungen, die er im April 1897 für Böhmen und Mähren erließ.
Sie stellten beide Landessprachen im Amtsverkehre aller Zivilbehörden einander
eleich und forderten von allen neu zu ernennenden Beamten die Kenntnis
beider Sprachen.
Da infolge der großen Aufregung, welche diese Verordnungen unter
den Deutschen hervorrief, im Abgeordnetenhause jede Verhandlung unmöglich
war, wurde das Ministerium (am 25. November 1897) entlassen. Das neue
Ministerium Gautsch erließ Sprachenverordnungen, die aber niemand be-
friedigten. Auch die Aufhebung der Verordnungen durch das Ministerium
Clary-Aldringen führte den Frieden nicht herbei. Das Ministerium Körber,
das im Jänner 1900 ins Amt trat, wollte den nationalen Streit durch größere
Pflege der volkswirtschaftlichen Interessen mildern und legte dem Parlamente
Gesetzentwürfe betreffend den Bau neuer Eisenbahnen zur Herstellung einer
kürzeren Verbindung des Deutschen Reiches mit Triest (Tauern-, Karawanken-
und Wocheiner-Bahn) und den Bau von Wasserstraßen (zwischen Donau,
Elbe und Oder) vor, Diese Gesetzesvorschläge wurden angenommen, aber die
Parteikämpfe dauerten fort, weshalb Körber zurücktrat (1904).
In dieser Zeit forderten die Sozialdemokraten immer heftiger in Zeitungen,
Vereinsversammlungen und mit Massendemonstrationen das allgemeine; gleiche
Wahlrecht und die Meinung, daß dieses Recht den nationalen Frieden herbei-
führen könne, fand weitere Verbreitung. Das Ministerium Gautsch, das am
1. Jänner 1905 die Regierung übernahm, legte auf Anregung des Kaisers dem
Parlamente im Februar 1906 die Wahlreform betreffende Gesetzentwürfe vor.