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ind gewährte den Bewohnern „Teilnahme an der Gesetzgebung und Ver-
waltung der Landesangelegenheiten“. Aber Rußland, England und Frankreich
erhoben Einsprache gegen diese „Annexion“ und stimmten dem russischen
Minister des Auswärtigen, Iswolski, bei, der verlangte, daß diese Angelegen-
heit einer europäischen Konferenz zur Prüfung vorgelegt werde, Serbien und
Montenegro hofften, daß ihnen diese Konferenz Gebietsteile von Bosnien und
der Herzegowina zuteilen würde, obwohl sie kein Anrecht auf solche hatten.
Der österreichische Minister des Äußern, Freiherr von Ährenthal, ließ sich dazu
nicht herbei, sondern schloß mit der Pforte einen Vertrag, in welchem diese
ler Annexion gegen eine Geldsumme (55 Mill. Kronen) zustimmte, die ihr
Österreich für die in Bosnien und der Herzegowina liegenden Staatsgüter zu
zahlen versprach. Obgleich die Großmächte in Belgrad und in Cetinje den
Rat gaben, die Annexion anzuerkennen, setzten Serbien und Montenegro, in
der Hoffnung, von Rußland unterstützt zu werden, die schon früher begonnenen
Rüstungen fort, wodurch sich auch Österreich gezwungen sah, seine Grenz-
;ruppen zu verstärken. Der Krieg schien unabwendbar. Erst als der deutsche
Reichskanzler Fürst Bülow Ende März 1909 im deutschen Reichstage erklärte,
laß Deutschland im Kriegsfalle an der Seite Österreichs stehen werde, und
alle Mächte die Annexion anerkannten, bequemten sich auch Serbien und
Montenegro dazu und rüsteten ab. Das gleichfalls besetzte Sandschak Norvi-
bazar hatte Österreich an die Türkei zurückgegeben.
Die Festigkeit des Ministers Ährenthal und vor allem die Friedensliebe
Jes Kaisers Franz Josef erhielten den Völkern Europas den Frieden.
10. Entwicklung des wirtschaftlichen und geistigen Lebens,
A. Materielle Kultur.
Trotz der nationalen Kämpfe nahm Österreich auf allen Gebieten
nenschlicher Tätigkeit einen großen Aufschwung. Die Landwirtschaft
zonnte sich erst seit der Grundentlastung entwickeln, die den Bauer zum
Eigentümer seines Bodens und zum Staatsbürger machte. Sie wurde durch
die Gründung zahlreicher Schulen gefördert: es entstanden die Hochschule
für Bodenkultur in Wien (1872), land- und forstwirtschaftliche Anstalten,
Ackerbau-, Obstbau- und Weinbauschulen sowie Versuchsstationen. Es wurde
also dafür gesorgt, daß verschiedene, der Landwirtschaft dienliche Errungen-
schaften der technischen und chemischen Wissenschaft den Landwirten bekannt
ınd von ihnen verwertet wurden. Von großem Einflusse waren die Gesetze
iber Wildbachverbauung und Bachregulierung, über Waldwirtschaft, Aufforstung
öder Flächen und Verbesserung der Viehzucht.
Das Grundgesetz für die Gewerbe ist die Gewerbeordnung von 1859.
Zur Erhaltung und Kräftigung des Gewerbestandes wurden Handwerker- unc
Gewerbeschulen, Meisterkurse und Gewerbemuseen gegründet. Die Industrie-
zweige, die in Österreich sehon seit langer Zeit bestanden, nahmen seit 1845
einen außerordentlichen Aufschwung und neue entstanden. Die Erzeugung von
Marek-Mayer-Eperjesy, Vaterlandskunde.