Im Lichte des Christentums.
standen unsicher zur Seite, ohne Waffen gegen das laute Wort aus Menschenbrust
und gegen das Wesen des Mannes, der so sicher wie ein Gott Bescheid wußte,
wo andere sich im Zweifel ängstigten. Fand er auch überall bittere Feinde
wider den ersten Andrang seiner Lehre vermochten sie sich nur wenig zu wehren,
denn gütig und schonend sprach er zu dem einzelnen und jedem gab er seine Ehre;
er war freundlich zu den Frauen; sein Antlitz wandelte sich in Helle Fröhlichkeit,
wenn er mit den Kindern sprach, und wo er einen Bedrängten oder Darbenden
fand, gab er alles, was er selbst gerade hatte und bat so feierlich und dringend,
daß er oft auch die Harten zur Guttat beredete. Im ganzen Lande sagten die
Leute, daß er ein milder und vornehmer Mann sei, und darum hörten sie ihn
williger, — und als bald daraus in dem mit den Sorben ausgebrochenen Kriege
der Herr den Sieg in die Hände der Thüringer gab, da wandten sich alle von
Wodan und Donar dem mächtigen Gott der Christen zu; selbst Ingram, der letzte
Getreue der alten Götter, beugte, tieferschüttert durch die innige Nächstenliebe
des für seine Rettung freiwillig den Tod erleidenden Priesterjünglings Gott¬
fried, fromm den Nacken unter das früher so verhaßte Marterholz.
Bild: „Germanentaufe" von A. Kampf. Aus G. Freytags „Ahnen": Jngraban.
127. Widukind.
In Deutschland war Winter. Scharf pfiff der Nordwind über die
sächsischen Wälder; die zackigen Reiser des Eichwaldes zitterten und
froren. Sterne blickten über leerem Lande; Winteröde, soweit der
Gedanke flog.
An einem Baum am Waldrand lehnte ein hoher Krieger; in den
Mantel gehüllt, die Arme über der Brust gekreuzt, das buschige Auge
regungslos hinausgerichtet auf einen fernen Punkt. Tief dort im Dämmer
der Mondnacht funkelte König Karls Heerlager.
Eine Welt war in Aufruhr im Herzen dieses einsamen Mannes,
eine Welt voll Schmerz und Weh. Aber keinen Seufzer fand er in
dieser entscheidenden Nacht; die Zähne biß er zusammen, in keinem
Laute gab er seinem Herzweh Luft. Starr und kalt stand er, eine
Eiche unter Eichen.
Das war der Sachsenherzog Widukind. Gehetzt von den Franken,
irrte der Fürst wie der Wolf in den Waldgründen seiner zertretenen
Heimat. Ein Verbannter in seinem eigenen Lande war er, ein Ver¬
femter und Gehaßter, den der gemeinste fränkische Schütze hinterrücks
niederschießen durfte.
Und wie er, so feierten alle Sachsen ein trauriges Julfest. Man
sah ihre Lichter nicht in diesem erstorbenen Lande; die scheu Gehetzten
saßen finster in den Tiefen ihrer Wälder. Dort draußen aber strahlte
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