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ein Knäuel von zehn Kürassieren und fünfzehn Pferden neben uns sich blutend
wälzte und die Granaten den Herrn in unangenehmster Weise umschwirrten,
vie schlimmste sprang zum Gluck nicht. Es ist mir aber doch lieber so, als wenn
er die Vorsicht übertriebe. Er war begeistert von seinen Truppen und mit Recht,
so daß er das Zausen und Einschlagen neben sich gar nicht zu bemerken schien.
Immer wieder fand er Truppen, denen er danken und guten klbend sagen mutzte,
bis wir denn richtig wieder ins Feuer hineingeraten waren. Er hat aber soviel
darüber hören müssen, datz er es künftig lassen wird, und Ou kannst beruhigt
sein. Ich glaube auch kaum noch an eine wirkliche Schlacht. — Leb wohl, ich mutz
in Dienst! Vein treuester v. L."
Wilhelms I. heimfahrt von Ems.
klm 15. Iuli 1870 waren die Kurgäste und Einwohner von Ems zahlreich
um das Kurhaus versammelt. Sie erwarteten den König, der sich zur Rbreise
nach Berlin rüstete. Ietzt erscheint der greise Herrscher. Legeisterte Hochrufe
begrützen ihn,- Llumen bedecken seinen Weg. Tränen der Rührung in den
klugen, erwidert er einige Worte und ruft den Versammelten zu: „kluf Wieder¬
sehen!" Oer Wagen führt ihn zum Lahnhof, und unter Hochrufen der Wenge
braust der Zug fort. Schweigend sitzt der König im Wagen- selten schweift sein
Blick hinaus auf die reichgesegneten Fluren seines Landes,- denn bange Sorge
bewegt sein herz. „Wie werden die Hessen, wie wird Hannover die neue Wendung
der Dinge aufnehmen? Wird Süddeutschland fest und unerschütterlich zu uns
stehen?"
Da fährt der Zug in einen großen Lahnhof. Es ist Kassel. Der Lahnsteig
ist mit Menschen überfüllt. Tausende von Bürgern aller Stände geleiten den
Oberbürgermeister, der dem König eine Ergebenheitserklärung überreicht. Nie¬
mand weicht von dem Lahnsteige, bis der König mit seinem Gefolge im Warte¬
saal sein Mittagsmahl beendet hat. klls er heraustritt und wieder in den wagen
steigt, ertönen jubelnde Hochrufe. Tiefgerührt und bewegt winkt der Monarch
wieder und wieder dem Volke seinen Dank zu,- dann geht es rasch vorwärts.
Ruf allen Haltestellen, ja oft weite Strecken längs der Lahn ist das Volk in
großen Scharen versammelt und ruft: „kluf nach Frankreich! kluf nach Paris!
hoch König Wilhelm!" Der Empfang durch die Hannoveraner und die Braun¬
schweiger tut dem König ganz besonders wohl,- er weiß jetzt, datz nur eine
Gesinnung in Norddeutschland herrscht, und er zweifelt nicht mehr, datz auch
der Süden sie teilen werde. Noch ist ein Rest von Sorge in seinem herzen,- aber
sie weicht, als der Zug Brandenburg erreicht. Des Königs ernstes klntlitz heitert
sich auf, als er seinen Sohn, den Kronprinzen erblickt, und Lismarck, Moltke und
Roon. Sie waren ihm entgegengefahren, um ohne Zeitverlust das Dringlichste
mit ihm zu besprechen.
Ietzt fährt der Zug in Berlin ein. Ein donnerndes Hurra, untermischt mit
dem Ruf: „kluf nach Frankreich!" tönt den klussteigenden auf dem reichbekränzten
Potsdamer Lahnhof entgegen. Noch auf dem Lahnsteig wird dem Grafen
von Lismarck eine eben aus Paris eingetroffene Erklärung der französischen
Minister überreicht. Bismarck liest sie dem König vor, und dieser meint: „Das
sieht ja recht kriegerisch aus,- da werden wir wohl drei Nrmeekorps kriegsbereit
machen müssen." König Wilhelm hatte nämlich noch immer gehofft, datz sich
die kriegerische klufregung in Frankreich wieder legen werde. Lismarck da¬
gegen erwiderte: „Majestät, das wird nicht reichen,- die Franzosen machen jetzt
schon ihre ganze klrmee kriegsfertig." Der König befahl darauf Lismarck, noch¬
mals das Schriftstück zu verlesen, „klber das ist ja die Kriegserklärung!" rief er