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vor dem Eintritte des Winters in seine Gewalt z>, bekommen. Dann
hatte bei Torgau eine sehr feste Stellung eingenommen. Hier kam
es am 3. November zu einer furchtbaren Schlacht. Der König
selbst führte seine Grenadiere trotz des entsetzlichen Kugelregens gegen
die vom Feinde besetzten Höhen. Aber scharenweise stürzten sie zu
Boden; auch Friedrich erhielt einen Schuß, der ihn allerdings nur
leicht verletzte und für einen Augenblick betäubte. Er raffte sich auf
uud rief: „An meinem Leben liegt heute am wenigsten. Laßt nns
unsere Schuldigkeit thun." Noch mehrmals führte er seine Reihen
heran; aber vergeblich, sie wurden immer znrückgedrängt. Dann
glaubte deu Sieg schon gewonnen zu haben und schickte Siegesboten
nach Wieu. Des Königs ganze Hoffnung beruhte uuu auf Zieten.
Dieser hatte auf deu Befehl Friedrichs deu einen Flügel der feind¬
lichen Schlachtreihe umgangen nnd griff ihn im Rücken an. Bis in
die Nacht hinein dauerte der Kampf. Friedrich selbst verbrachte die
Nacht in der Kirche eines nahen Dorfes; hier ließ er sich verbinden
und schrieb, auf den Stufen des Altares sitzend, bei einem schwachen
Kirchenlichte seine Befehle für deu folgenden Tag. Da kam, spät in
der Nacht, Zieten mit einigen Husaren herangestrengt und meldete
dem Könige: „Majestät, der Feind ist geschlagen; er zieht sich zurück."
Dies war die blutigste Schlacht des ganzen Krieges; von den Preußen
lag fast ein Drittel, von den Österreichern ein Fünftel tot oder ver¬
wundet auf dem Schlachtfelds.
Je länger der Krieg dauerte, desto geringer wurde für Preußen
die Aussicht auf einen glücklichen Ausgang. Alle Kräfte des Landes
waren erschöpft; es fehlte an Geld, Getreide, Pferden uud Menschen.
B?ie rücksichtslos Friedrich auch in seinem eigenen Laude und den von
ihm besetzten feindlichen Gebieten vorgehen mochte, er war nicht im
stände, die Mittel zum Kriege aufzubringen und die stets sich erneuern¬
den Lücken in seinem Heere wieder auszufüllen. Als daher im Jahre
1761 die Russen und die Österreicher vereint in Schlesien ihm gegen¬
überstanden, konnte er keinen Kampf wagen, sondern beschrankte sich,
ganz gegen seine Gewohnheit, auf die Verteidigung. Er schlug bei
Buuzelwitz ein befestigtes Lager auf, worin er sich aufs
stärkste verschanzte. Hier wurde er von den Russen und Österreichern
umzingelt; sie wollten ihn hier angreifen und vernichten. Friedrich
befürchtete besonders einen nächtlichen Überfall und hielt daher seine
Truppen jede Nacht iu Waffenbereitschast. Auch trat allmählich Mangel
an Lebensmitteln ein. Des Königs Glaube au eine glückliche Zukunft
schwand immer mehr; manchmal teilte er seine Bedenken seinem
treuen General Zieten mit. Eines Tages fragte ihn der König bitter,
„ob er denn vielleicht einen neuen Verbündeten gewonnen habe."