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Die Regierung des Reiches. Die Ausübung der vollziehenden
Bewalt steht ausschließlich dem Kaiser zu, welcher dabei durch die Minister
anterstützt wird. Die Ministerien sind:
1. Das Ministerium des Innern; ihm unterstehen die Statt—
haltereien und Landesregierungen, welchen die Bezirkshauptmann—
schaften und die Magistrate der autonomen Städte untergeordnet sind; 2. das
Ministerium für Kultus und Unterricht; 8. das Justizministerium;
4. das Finanzministerium; 5. das Handelsministerium; 6. das
Eisenbahnministerium; 7. das Ackerbauministerium; 8. das' Laudeß—
verteidigungsministerium; 9. das Arbeitsministerium und 10.
Landsmannministerien.
Der Reichsrat. Der Reichsrat besteht aus dem Herrenhaus und
dem Abgeordnetenhaus.
Mitglieder des Herrenhauses sind: die großjährigen Erzherzoge, die Erz⸗
bischöfe und Bischöfe, welchen fürstlicher Rang zukommt, die großjährigen Häupter
ener Adelsfamilien, welchen der Kaiser die erbliche Reichsratswürde verliehen hat,
und schließlich Männer, die vom Kaiser wegen ihrer Verdienste um Staat nd
Kirche, Kunst und Wissenschaft auf Lebenszeit ernannt sind. Die Zahl der Mit—
zlieder darf 170 nicht übersteigen und nicht unter 150 verbleiben.
Das Abgeordnetenhaus besteht aus 516 Mitgliedern, die auf die Dauer
von sechs Jahren gewählt werden. Wahlberechtigt im allgemeinen ist jeder österreichische
Staatsbürger männlichen Geschlechts, der das 24. Lebensfjahr vollstreckt hat, durch das
Gesetz vom Wahlrechte nicht ausgeschlossen ist (dadurch, daß er unter Kuratei steht
oder wegen eines Verbrechens, eines Diebstahls oder eines Betruges ausgeschlossen
wurde) und innerhalb der Gemeinde, in der er das Wahlrecht auszuüben hat, am
Tage der Ausschreibung der Wahl seit mindestens einem Jahre den Wohnsitz hat.
Der Reichsrat bewilligt die Steuern und die Aushebung der Rekruten nd
beschließt die Gesetze.
Wie die Angelegenheiten des Reiches, so werden auch die der Länder
und der Gemeinden durch frei gewählte Vertreter beraten. Dies geschieht in
den Gemeinden und in den Gemeindevertretungen.
7) Kaiser Fran; Josef verbessert das Heerwesen. Das österreichisch—
ungarische Heer wurde durch den Kaiser der Zahl nach stark vermehrt, vor—
crefflich bewaffnet und so eingerichtet, daß es jederzeit auf den Befehl des
obersten Kriegsherrn schlagfertig bereit steht. Die Wehrpflicht ist seit dem Gesetze
vom Jahre 1868 allgemein. Damit ist die Militärlast gerechter verteilt und
exleichtert. Während früher diejenigen, welche für das Heer ausgehoben wurden,
lebenslänglich, seit Kaiser Franz 10 Jahre ununter brochen dienen mußten,
gehört der Wehrpflichtige gegenwärtig in der Regel nur drei Jahre dem st ehen⸗
den Heere an, sieben Jahre dauert die Dienstpflicht in der Reserve, zwei Jahre
in der Landwehr und weitere 10 Jahre im Landsturm. Reserve und Land—
wehr werden nur im Falle eines Krieges einberufen, der Landsturm wird nur
zum Wehrdienste im Lande selbst verwendet. Die Armee besteht im Frieden
aus 340. 000 Mann, welche im Kriege bis zur Höhe von 1,800.000 Mann in
kürzester Zeit einberufen, bewaffnet und durch zweckmäßig angelegte Eisenbahnen
an die bedrohte Grenze gebracht werden können. Bei der Verbesserung des Heer⸗
wesens wurde der Kaiser durch den kriegserfahrenen Erzherzog Albrecht,
den Sieger von Custozza, mit Rat und Tat und unermüdlichem Eifer unter—
stützt. Auch die Flotte erfreut sich der fürsorglichen Förderung des Kaisers.