Object: Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege (Bd. 1)

152 Die Geschichte des Mittelalters 
Erzieherin des deutschen Volkes geworden, wie es die vorhergehende Epoche 
gezeigt hat; aber mit dieser Aufgabe begnügte sie sich nicht; — sie wollte 
nicht bloß erziehen, sondern herrschen. Im hierarchischen Zeitalter hat sich 
die Kirche zur Hierarchie entwickelt, wodurch naturgemäß der Kampf 
der weltlichen Macht gegen die geistliche heraufbeschworen wurde. 
Wesentlich haben die Kreuzzüge dem Papsttum dienen müssen, wie sie 
auch als das beste Zeugnis für die Größe des kirchlich-geistlichen Einflusses 
auf die Gemüter der damaligen Zeit gelten können. — Aber schon beginnt 
der germanische Volksgeist, nachdem er sich in den beiden Jahrhunderten 
vorher die christliche und antike Kultur angeeignet hat, allmählich seine 
Selbständigkeit zu offenbaren. Es ist die große Zeit, in der deutsches 
Volksbewußtseiu kräftig erstarkt und deutsche Eigenart sich in allen Zweigen 
der Kultur geltend macht. Und so stark und widerstandsfähig ist diese 
deutsche Art, daß sie sich in der Fremde unter schwierigen Verhältnissen, 
ja unter Kämpfen erhält; deutsches Wesen wird weit über die Grenzen 
deutschen Landes hinausgetragen, die Germanisation im Osten be¬ 
ginnt. Aber auch in der Heimat regt sich deutsches Leben, so eigenartig 
und kraftvoll, so frei und vielversprechend, so wenig noch von den Höchsten 
der Welt geachtet und doch die Zukunft beherrschend: das deutsche 
Bürgertum in den neuentstehenden Städten. — Und all diese viel¬ 
seitigen Lebensbetätigungen der großen Zeit, all das ernste Kämpfen und 
Ringen in Staat und Kirche, in der Stadt und in der Fremde das 
zeitigte einen geistigen Niederschlag, es mußte auf das geistige Leben, auf 
Wissenschaft und Kunst mächtig einwirken?) 
Die folgenden Betrachtungen enthalten nach dieser Einleitung a) die 
Entwicklung der Kirche, b) den großen Kampf zwischen König und Papst, 
c) die Kreuzzüge, d) die Germanisation des slavischen Ostens, e) die 
deutschen Städte im Mittelalter, f) das geistige Leben im hierarchischen 
Zeitalter. 
B. Überblick. 
Es ist nicht möglich, über diese an Ereignissen so reiche Epoche einen 
einheitlichen Überblick zu geben und mit kurzen Bezeichnungen die einzelnen 
Perioden dieses Zeitalters treffend und umfassend anzugeben. Indem wir 
es dennoch versuchen, sei vorweg bemerkt, daß für die folgenden Über¬ 
schriften nur die politische Geschichte den Inhalt geben konnte. 
So teilen wir das hierarchische Zeitalter in drei Perioden: 
J) Eine besondere Betrachtung über das wirtschaftliche und soziale Lebeu dieser 
Epoche können wir entbehren, es ist vorher dargestellt worden, siehe § 26 d. An ver¬ 
schiedenen Stellen der folgenden Betrachtungen wird es, soweit es zum Verständnisse 
der Zeit nötig ist, erwähnt und berücksichtigt werden.
	        
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