Full text: Vaterländisches Lesebuch für Kinder des österreichischen Kaiserstaates

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gestickt. Die Ordensmütze ist von purpurfarbigem Sammt, gleichfalls mit 
Gold gestickt und mit einem rückwärts niedergeschlagenen Mäntelchen, und 
daran auf der linken Seite herunter hängender glatten Streifbinde. Ueber 
diesem Anzuge wird eine lange goldene Kette am Halse getragen, die aus 
lauter Gliedern besteht, welche Feuersteine und Stahl vorstellen. Der 
Stifter wollte dadurch anzeigen, daß er nur gereizt und nicht freiwillig 
Krieg zu führen bereit sei. Unten hängt ein goldenes Vließ (Widderfell). 
Im Anfange mußten die Ritter solche Ketten (Colliers) täglich tragen; 
doch Kaiser Karl überhob sie dieser Unbequemlichkeit und erlaubte, daß 
man dieselbe nur an feierlichen Tagen umhänge, und an deren Statt das 
goldene Vließ an einem rothen oder goldenen Bande am Halse, oder im 
Knopfloch an der linken Seite trage. Oberhalb auf diesem Ordenszeichen 
stehen die Worte aus dem Dichter Claudian: „Pretium non vile labo- 
rum.“ (Kein geringer Lohn für Geleistetes.) Dieses Ordenszeichen ist nicht 
erblich, sondern muß nach eines jeden Ritters Tode, wie fast bei allen Or⸗ 
den, wieder eingeliefert werden. Die Geschichtschreiber sind nicht einig, 
was für einen Beweggrund der Stifter gehabt habe, diesem Orden den 
Namen des goldenen Vließes zu geben, und ob er das Fell, welches Jason 
in Kolchis eroberte, oder das Gideon'sche vorstellen soll. Indessen so viel 
als aus den Statuten erhellet, hat er dieses Zeichen gewählt, um die Tu— 
genden der Tapferkeit, der Gerechtigkeit und der Großmuth, welche die 
Seele eines Ritters zieren, dadurch auszudrücken. 
Von der Zeit Kaiser Karl V., welcher diesen Orden zur höchsten Auf- 
nahme brachte, tragen ihn nicht nur viele große Fürsten und Konige, son— 
dern auch die folgenden römischen Kaiser aus dem Hause Oesterreich; über⸗ 
haupt wurde er nur Personen von hohem Stande und ganz besonders gro⸗ 
hem Verdienst um die Throne von Oesterreich oder Spanien verliehen. 
Nach dem Tode Karl II., König von Spanien, entstand ein Streit wegen 
des Großmeisterthums des Ordens, welcher endlich dahin entschieden 
wurde, daß sowohl Osterreich als Spanien das goldene Vließ vergeben sol⸗ 
len. Als Karl VI., der Vater der großen Maria Theresia, starb, übertrug 
die Kaiserin, um jeden Widerspruch und Einspruch zu vermeiden, ihrem 
Gemahl dem Kaiser Franz das Recht, und von diesem erbten es auch die 
folgenden Kaiser. 
Das Fest dieses Ordens 1) wird jährlich in Wien, am Tage des 
heil. Apostel Andreas, oder wenn dieser in der Woche faͤllt, am folgenden 
N 
Fruͤher auch Ritterorden des goldenen Schoͤppers oder guldnen Laͤmleins 
von Burgund, Guld Vellyß (Vellus) genannt.
	        
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