Full text: Moderne deutsche Dichter

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Doch dies gewalt'ge Meer, die goldnen Auen, 
Die Kunst mit Meißel und mit Farbenstiften, 
Nichts stillt mein Heimweh nach den Alpentriften, 
Nach all den theuren, wohlbekannten Gauen. 
Im Hochland siehst du dort noch stets die derben 
Urenkel Tells; das reiche Land der Tiefe 
Bewohnt ein Volk mit blühenden Gewerben; 
Ein Volk, wenn heut das Horn von Uri riefe, 
Bereit, mit seinem Herzblut aufzufärben 
Die blasse Schrift der alten Freiheitsbriefe. 
Auf Lenau. 
Die Nacht ist still, die Lüfte wehen linde; — 
Rings auf der Welt liegt ein elegisch Träumen— 
Die Blätter lispeln leis nur an den Bäumen 
Wie Seufzerhauch von einem kranken Kinde. 
Ein leuchtender Gedanke, pfeilgeschwinde 
Aufzuckt der Blitz; — empörte Wogen schäumen; 
Hinjagt das Ross des Sturms, wer will es zäumen? — 
Der Himmel weint, als ob er Schmerz einpfinde. 
So gilt das stete Klagen deiner Zither 
Der Creatur, die um Erlösung fleht 
Und, Freiheit heischend, pocht am Kerkergitter. 
Es ist der Schmerz, der durch die Schöpfung geht 
Im Windessäuseln, wie im Ungewitter, 
Vom milden Hauch der Poesie umwehi. 
Shafelen. 
Nach Westen zieht der Wind dahin— 
Er säuselt lau und lind dahin; 
Er folgt dem blauen Strome wohl 
Und flieht zu meinem Kind dahin. 
Bring meinen Thränenregen ihr 
Und einen Gruß geschwind dahin! 
Ach, Wolken kommen trüb daher, 
Die frohen Tage sind dahin! 
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Lieblich weht die Luft uns zu, 
Trägt der Blumen Duft uns zu: 
Schied die Welt uns, Lieb und Lenz 
Füllen diese Kluft uns zu;
	        
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