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warum die Kinder mit dem Schulzeuge den verkehrten Weg einschlagen
und zum Dorfe hinauswandern; ja ein Rabe fliegt wie ein Kundschafter
ooraus und setzt sich auf eine geköpfte Weide am Weiher. Die Kinder
aber gehen still ihres Weges bis da, wo sie am Weiher bei den Erlen
die Fahrstraße erreichen, sie gehen über die Straße nach einem jenseits
stehenden niedrigen Hause. Das Haus ist verschlossen, und die Kinder
stehen an der Hausthüre und klopfen leise an. Das Mädchen ruft be—
herzt: „Vater! Mutter!“ und der Knabe ruft zaghaft nach: „Vater!
Mutter!“ Das Mädchen fasst die bereifte Thürklinke und drückt erst
leise; die Bretter an der Thür knittern, es horcht auf, aber es folgt
nichts nach, und jetzt wagt es in raschen Schlägen die Klinke auf und
nieder zu drücken, aber die Töne verhallen in der öden Hausflur; es
antwortet keine Menschenstimme, und den Mund an eine Thürspalte
gelegt, ruft der Knabe: „Vater! Mutter!“ Er schaut fragend auf zur
Schwester, sein Hauch an der Thür ist auch zu Reif geworden.
Aus dem nebelbedeckten Dorfe tönt der Taktschlag der Drescher,
bald wie rascher sich überstürzender Wirbel, bald langsam und müde
sich nachschleppend, bald hell knatternd und wieder dumpf und hohl;
jetzt tönen nur noch einzelne Schläge, aber rasch fällt alles wiederum
ein von da und dort. Die Kinder stehen wie verloren. Endlich lassen
sie ab von Klopfen und Rufen und setzen sich auf ausgegrabene Baum—
stümpfe. Diese liegen auf einen Haufen rings um den Stamm des
Vogelbeerbaumes, der an der Seite des Hauses steht und jetzt mit seinen
rothen Beeren prangt. Die Kinder heften den Blick noch immer auf
die Thüre, aber diese bleibt verschlossen.
„Die hat der Vater im Moosbrunnenwald geholt,“ sagt das
Mädchen auf die Baumstümpfe zeigend, und mit altkluger Miene setzt
es hinzu: „Die geben gut warm, die sind was wert, da ist viel Kien
drin, das brennt wie eine Kerze: aber der Spalterlohn ist das größte dabei.“
„Wenn ich nur schon groß wär',“ erwidert der Knabe, „da nähm'
ich des Vaters große Axt und den buchenen Schlägel und die zwei
eisernen Speidel (Keile) und den eschenen, und da muss alles aus
einander wie Glas, und dann mach' ich draus einen schönen spitzigen
Haufen wie der Kohlenbrenner Mathes im Wald, und wenn der Vater
heimkommt, der wird sich aber freuen! Darfst ihm aber nicht sagen,
wer's gemacht hat.“ So schloss der Knabe, indem er den Finger drohend
gegen die Schwester aufhob. Diese schien doch schon eine dämmernde Ahnung
davon zu haben, dass das Warten auf Vater und Mutter nicht geheuer
sein könne, denn sie sah den Bruder von unten auf gar traurig an,
und da ihr Blick an den Schuhen haftete, sagte sie: „Dann musst du
auch des Vaters Stiefel haben. Aber komm, wir wollen Bräutln
lösen. Wirst sehen, ich kann weiter werfen als du.“
Im Fortgehen sagte das Mädchen: „Ich will dir ein Räthsel auf—
geben: Welches Holz macht heiß, ohne dass man's verbrennt?“
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