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Das Zeitalter der unumschränkten Fürstenmacht.
von den Franzosen angeleitet war. Der Kaiser flüchtete nach Linz und rief
die Hilfe des Reiches an. Am 14. Juli war Wien von allen Seiten um¬
schlossen. Auf den Streiszügen schleppten die Türken 80 000 Menschen in
die Sklaverei. Die Verteidigung ber Hauptstadt leitete mit Umsicht der
tapfere Graf Rübiger von Starhemberg mit bem treuen Kaspar
Zdenek, Grafen Klapire. Die Besatzung zählte nur 14000 Mann, warb
aber von ben Bürgern unb Stubenten wacker unterstützt. Alle wetteiferten
an Opferwilligkeit unb Helbemnut miteincmber.
Die Türken untergruben bie Mauern unb legten Minen, bie Wiener
gruben ihnen entgegen. Die (gegen 50) Stürme würben blutig zurückgewiesen.
Doch sanken bie ohnehin nicht starken Festungswerke allmählich in Trümmer,
unb so rückten bie Belagerer, wenn auch langsam unb mit großem Verluste,
mehr unb mehr vorwärts, so baß bie Stabt aufs äußerste gebracht würbe.
Denn bie Besatzung Verminberte sich mit jebem Tage burch Tob unb Kampf¬
unfähigkeit; bie Dienstfähigen ermatteten burch bie unaufhörliche Anstrengung,
unb nun begann auch ber Hunger sich einzustellen. Feuerzeichen auf Feuer-
zeichen verkünbeten ben fernen christlichen Wachen bie wachfenbe Bebrängnis.
Zuletzt ließ Starhemberg (10. September 1683) vom Stephansturme eine
Garbe von Raketen aufsteigen zum Zeichen ber höchsten Not: in ber Ferne
gaben Raketen Antwort — bas christliche Heer nahte zum Entsätze. Es be-
stanb aus 27 000 Kaiserlichen unter bem Herzog Karl V. von Lothringen,
aus 12 000 Bayern unb ebensoviel Sachsen, aus 9000 Schwaben, Franken
unb Hessen; bazu kamen zufolge eines vom Papste zwischen bem Kaiser unb
Johann Sobieski vermittelten Vertrages vom 31. März 1683 noch 27000 Polen.
Dem helbenmütigen Türkenbekämpfer Sobieski überließen bie beutschen Fürsten
ben Oberbefehl. Sonntag, ben 12. September 1683, stieg bas Heer vom
Kalenberg nieber, bem Großvezier entgegen, ber 183 000 Mann ins Feld
stellte. Vor Beginn der Schlacht ließ er im Lager bei Hernals Tausende
gefangener Christen jeden Alters und Geschlechts zusammenhauen. Erst nach
mehrstündigem hartnäckigen Kampfe warf der linke Flügel des christlichen
Heeres den rechten der Türken; um zwei Uhr mittags kam der rechte
Flügel und das Centrum der Christen zur Schlacht. Die polnische Reiterei
ward zurückgeworfen, aber die deutschen Krieger stellten das Gleichgewicht
wieder her und entschieden den Sieg. Die sich wieder sammelnden Polen
stürzten sich von neuem auf den Feind, der sich nun in wilde, Flucht ergoß
und bis nach Ungarn verfolgt wurde. Kara Mustafa hatte 15 000 Mann
auf dem Schlachtfelde verloren, das Heer der Christen etwa den dritten Teil.
Alles Geschütz und das ganze Lager ber Türken mit unermeßlicher Beute
fiel ben Siegern in bie Hänbe. Sobieski erhielt bas Prachtzelt bes Groß-
veziers mit seinen Schätzen.. Nach 63tägiger Belagerung war Wien befreit.