Full text: Moderne deutsche Dichter

36 — 
Sine GKheinfahrt mit Uhland. 
120 
30 
14 
Die du stolz und wellenmächtig meerwärts fliegst auf raschen Bahnen, 
Warum schweigen deine Böller, warnm feiern deine Fahnen, 
Warum schmücken keine Flaggen diesen Mast, kein Kranz die Raa? 
Trägst doch einen König heute, Königin Victoria! 
Wüssten sie, die Ahnungslosen, die auf deinen Borden wandern, 
Wer unscheinbar und bescheiden sich geborgen bei den andern, 
O sie drängten, o sie wogten grüßend um den einen hin, 
Wie Arion einst die Schiffer grüßten mit beschämten Sinn. 
Ich, ein Herold dieses Königs, will's zuerst den Felsen sagen, 
Mag der Lurlei treues Echo dann den Namen weiter tragen, 
Mag er tönen durch die Berge, in den Wäldern, längs dem Rhein: 
Ludwig Uhland! — Dieser Name soll ein mächt'ger Zauber sein! 
Sieh, schon glänzt es abendröthlich von den granen Rittersteinen, 
Durch die herbstgefärbten Zweige geht ein frühlingsgleiches Scheinen, 
Düfte haucht herab die Rebe, und mit brüderlichem Gruß 
Rauscht zum dentschen Lieblingsdichter auf der deutsche Lieblingsfluss. 
Diese Welt aus Blüt' und Trümmer, neubelebt in seiner Laute, 
Wie sie, aus dem Schlaf erwachend, fromm auf den Beschwörer schaute! 
Hirtenknaben von den Bergen, Winzerinnen fern im Thal, 
Troubadours anf hohen Söllern: Lieder Uhlands überall! 
Raum gegeben, Passagiere! Rück' den Hut, du stolzer Britte! 
Nimm ihn seiernd, deutsche Jugend, deinen Minstrel in die Mitte, 
Und ein Wort, von seinen besten, und ein Hoch und ein Gesang 
Mische sich zu seinem Preise in der grüunen Römer Klang! 
Freude, dass ich ihn erkannte, dass des Geistes echter Stempel 
Mir von seiner Stirn gelenchtet wie ein Strahl aus einem Tempel, 
Dass ich auf den kargen Lippen doch die holden Spuren fand, 
Die der Muse Kuss gelassen und der Charitinnen Hand! 
Meister, mit verschränkten Armen, sinnend, lass mich vor dir stehen. 
Lass den Jünger dir begeistert in das Dichterauge sehen, 
Sei nicht stolz, nicht streng, nicht spröde! Ach, wenn du geschieden bist, 
Weiß ich nicht, ob mir vergönnt ein zweiter Tag wie dieser ist. 
Freie Kunst hast du entboten rings in allen deutschen Reichen, 
Und nur Ohnmacht sperrt sich peinlich ab in Schulen und in Zeichen: 
Ob die Schwaben dein sich rühmen, ob der Norden uns gebar, 
Junges Deutschland oder altes, kümmre das der Krittler Schar! 
Wer als Dichter sich empfindet, ist verwandt mit allen Dichtern, 
Bengt sich fromm vor jedem Meister, aber nie vor Splitterrichtern, 
Und zu dir in Demuth spricht er, deines Königthums bewusst: 
Hefte der Berufung Zeichen, Herr, das Kreuz mir auf die Brust!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.