„Ich will dein Gast für heut und morgen bleiben,
Hilf mir die Zeit nun angenehm vertreiben;
Bereit' ein Fest, lad' gute Freunde ein,
Wir wollen froh und guter Dinge sein!“
— „Ich habe keine Freunde!“ sprach der Mann.
Mirza Schaffy sah ihn verwundert an:
„So darf ich nicht dein Dach zum Obdach wählen!
Dem selbst beim Reichthum gute Freunde fehlen!“
Er schüttelte den Staub von seinen Füßen,
Verließ den Reichen, ohne ihn zu grüßen,
Sprach: „Wem der Himmel keinen Freund beschert,
Weh ihm! der Mann ist keines Grußes wert.“
Sokrates.
Einst vor dem Volke von Athen
Ein Fremder ließ mit seiner Knnst
Aus ihrer Kopfbildung den Leuten
Die angeborne Eigenart zu deuten,
Aus Auge, Form des Schädels und der Stirn
Zu schließen auf den Trieb in Herz und Hirn.
Als Sokrates mit scharfem Blick
Beprüft des Fremden Tastgeschick,
Ließ er sich selbst den Kopf befühlen
Und rings sein spärlich Haar durchwühlen,
Zu sehn, wie jede äußre Windung
Steh' mit dem Innern in Verbindung.
Der Fremde prüfte sorgsam lange
Und sprach:
„Von manchem bösen Hange
Zeugt dieser Kopf; bei großer Geisteskraft
Umschließt er Zorn und wilde Leidenschaft,
Den Trieb zu Hochmuth, UÜppigkeit und Lüge.“
„Schweig, Gaukler! Denn schon merkt' ich zur
Genüge
Wie deine Trngkunst dich bethört
Rief Alkibiades, der zugehört —
„Erfahr', du eitler Kopfbetaster,
Dass dieser Mann, den du mit jedem Laster
Behaftet wähnst, seit seiner Jugend
Fin Musterbild der Weisheit ist und Tngend.“