280 —
verständig sein wie Menschen und' so lieblich miteinander plaudern
— ——
wenn man so glücklich war, sie reden zu hören, die schoͤnste Musik
vor irdischer Rauheit nicht anhören kann. Die Zähne der Pferdlein
beschreibt man wie vom schönsten Elfenbein geformt. Das wunder—
bare Gebiss sei aus dem feinsten Gold, die Zügel zwei Sonnen—
strahlen, die Hufe mit Kronengold beschlagen, deren Auftreten, wie
das Bewegen der Wagenräder harmonisch klingend die dadurch ge—
weihten Lufttheilchen zermalme. Im Wagen befände sich in jenen
Gegenden vorkommendes, wachsendes oder kaufbares Obst: Äpfel,
Birnen, Nüsse, Feigen, Mandeln, Rosinen u. s. w. nebst dem besten
bekannten Gebäck. Diese den Dorfkindern unschätzbaren Sachen seien
für gute Kinder als Geschenke in kommender Christmitternacht bestimmt,
wo Himmel und Erde des Jesuskindleins Geburtsandenken feiern.
Aber auch Ruthen, Erbsen, Schwarzbrot u. s. w. enthalte der Wagen
für unfolgsame, schlimme Kinder. Und so komme denn der kindliche
Heiland schon in den ersten Dämmerungen der heiligen Nacht, uim
sich anzukündigen vei guten und schlimmen Kindern. Deshalb muss
um diese Stunden alles ruhig und andächtig sein im Hause, womög—
lich vresammelt in der Stube; die Kinder aber, gekleidet wie am
wichtigsten Festtage, müssen ihre Gebete, soviel sie auswendig wissen,
laut hersagen, kniend, wenn sie erwachsener, auf dem Elternschoße
sitzend, wenn sie noch klein und zart sind.
Bei der Annäherung des Christkindleins, belehrt man die gläu—
bigen Kleinen, entfliehen alle bösen Dinge aus dem Hause, in welchem
Winkel oder Gegenstiande sie verborgen sein mögen; daher, wenn
alles still und andächtig horcht, man Tische und Kästen leise schnalzen,
das Licht knistern hört und wanken sieht, als ob ein Luftzug die
ausgestoßenen bösen Geister durch alle Öffuungen und Spalten des
Hauses wehe; die Fenster laufen leicht an, und ein wunderbares
Summen, Rauschen, Singen und Klingen werden Begnadigten hörbar,
das sich solange verstärkt, bis es alle hören könuen, wo es endlich
zum Ton einer kleinen Glocke geworden sei. Dieser Schall deute
an, das Christkindlein steige aus dem goldenen Wagen, lasse die
Pferdlein rasten und wolle den Kindern andeuten, welche Geschenke
es die Nacht austheilen werde. Diesem frommen Glauben zuliebe
kaufen die Mütter Geschenke, welche sie sorgfältig vor den Augen
der Kinder verbergen, beauftragen jemand, der in der Familie mht
leicht vermisst wird, dass er im Augenblicke, wo das Christkindlein
sich melden soll, vor der Stubenthüre mit einem Glöcklein zwei- bis
dreimal klingele, dann die Thüre so weit öffne, dass er mit einer
Hand, die mit Goldpapier überklebt ist, die bestimmten Geschenke
hineinwerfen könne. Wie das Glöcklein vor der Stubenthüre zu
klingeln beginnt, fangen die Kinder an, so laut als möglich zu beten.
Die vermeinte Nähe des Christkindleins regt eine Art heiliger
Begeisterung in den Kindern an, vermengt mit der Begierde, die