283
284. die
Vollksweise.
1. Es war im Dorfe Hochzeit,
Die Gäste schmausten und sprangen,
Da kam zu dem frohen Feste
Auch ein alter Sänger gegangen.
2. Hei, was man dem jungen Paare
Für reiche Geschenke beschied!
Der Sönger brachte zum Feste
Nichts als ein kleines Lied.
3. Das Hochzeitspaar und die Gäste
Sind längst im Grabe verdorrt,
Verwittert sind alle Geschenke; —
Das Lied lebt immer noch fort!
285. Blumen und Sterne.
1. Blumen blühen uns zu Füßen,
Uns zu Häupten glühen Sterne, —
Jene aus der Nähe grüßen,
Diese grüßen aus der Ferne!
2. Welch ein liebliches Gewimmel!
Freude blüht auf jedem Schritt mir; —
Und den ganzen Sternenhimmel
Sammt den Blumen trag' ich mit mir!
286. Sprüche.
Die Tugend hab' ich nie gelobt,
Die nimmer sich im Sturm erprobt.
Die Weisheit hab' ich nie gepriesen,
Die nie im Leben sich erwiesen!
Man lernt nie fechten ohne Schwert,
Man lernt nie reiten ohne Pferd;
Dem guten Schwimmer stärkt die Glieder
Der Strom: den schlechten reißt er nieder.
287. Freundschaft.
Wenn jemand schlecht von deinem Freunde spricht,
Und scheint er noch so ehrlich: glaub' ihm nicht!
Spricht alle Welt von deinem Freunde schlecht:
Misstrau' der Welt und gib dem Freunde recht!
5 Nur wer so standhaft seine Freunde liebt,
Ist wert, dass ihm der Himmel Freunde gibt.
Ein Freundesherz ist ein so seltner Schatz,
Die ganze Welt beut nicht dafür Ersatz;
Ein Kleinod ist's voll heil'ger Wunderkraft,
10 Das nur bei festem Glauben Wunder schafft. —
Doch jedes Zweifels Hauch trübt seinen Glanz,
Einmal zerbrochen, wird's nie wieder ganz.
Drum, wird ein solches Kleinod dir beschert,
O, trübe seinen Glanz nicht, halt es wert;
15 Zerbrich es nicht! Betrachte alle Welt
Als einen Ring nur, der dies Kleinod hält,
Dem dieses Kleinod selbst erst Wert verleiht:
Denn wo es fehlt, da ist die Welt entweiht.