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Doch würdest du dem ärmsten Bettler gleich, 
20 Bleibt dir ein Freundesherz, so bist du reich; 
Und wer den höchsten Königsthron gewann 
Und keinen Freund hat, ist ein armer Mann. 
Gottfried Kinkel. 
288. Der Meisterschuss. 
Aus „Otto der Schütz“ 
O fröhlich Leben an dem Rhein, 
Gespeist mit Kraft, getränkt von Wein, 
Wie grüßest du in Sommerlust 
Unsterblich jung des Dichters Brust! 
5 Solang noch stehn die Felsenhallen, 
Wird rheinischer Gesang erschallen; 
Solang der Strom mit stillem Gang 
Die Wimpel führt das Thal entlang, 
Wird Liebe jubelnd ihn befahren 
10 Und ew'gen Jugendmuth bewahren. 
Solang noch rauschen diese Wälder 
Und grün noch stehn die satten Felder, 
Solang sich Trauben röthlich färben, 
Wird nicht ein froh Geschlecht er— 
sterben. 
15 Dir gab, o Rheinland, Gottes Huld 
Des Nachbarn wilde Ungeduld. 
Der Franke neidet deine Schöne, 
Und seiner Gier bist du ein Ziel; 
Drum üben deine schmucken Söhne 
20 Die Kraft im ernsten Waffenspiel; 
Drum rufen deine Schützenfeste 
Von nah und fern heran die Gäste, 
Und steten Sieges klar bewusst, 
Vereint dem Ernst sich stolze Lust! 
25 Auf weitgedehntem grünen Rasen, 
Wo sonst behaglich Herden grasen, 
Ist heut ein männlich Fest bestellt. 
Inmitten ragt ein buntes Zelt; 
Auf Balken, zierlich aufgeschichtet, 
30 Ist ein Altan emporgerichtet. 
Horch, ein Trompetenstoß! Am Ziel 
Erscheinen blanker Schützen viel, 
Auf guten Rossen, wohlbewehrt, 
Des Grafen Mannen, hochgeehrt. 
Sie reiten langsam durch die Bahn 30 
Und säubern sie vom Gaffervolke, 
Dann im Galopp zum Ziel heran, 
Dass ihnen folgt des Staubes Wolke. 
Sie springen ab, und jeder nimmt 
Den Platz, den ihm sein Rang be—4 
stimmt. 
Jetzt tritt der Graf aus seinem Zelt, 
Ein Lebehoch durchbraust das Feld. 
Der Edelknappe schenkt ihm ein 
Im neuen goldnen Becher Wein. 
Den hebt er hoch und schauet mild 40* 
Die Schützen an und ruft: „Es gilt 
Jedwedem Mann der Trunk, der 
brav 
Heut oder je ins Schwarze traf. 
Den Becher aber setz' ich dran 
Als Preis dem Schützenfürsten heute, bl 
Es sei nun einer meiner Leute, 
—A 
Zum zweitenmal Trompetenstoß; 
Die Schützen werfen rasch das Los, 
Das ihrer Schüsse Ordnung missst 50 
Und abwehrt Zank und Hinterlist. 
Nun schweigt das Feld, die Schützen 
auch, 
Und stumm, nach Sitten und Gebrauch,
	        
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