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130 Wie eine Glocke hell erklang. 
Mit Sorgfalt prüft der Schütz die 
Sehne, 
Ob sie sich leicht und fügsam dehne; 
Selbst hatt' er sie in Winterstunden 
Aus wilden Marders Darm ge— 
wunden. 
135 Inmitten, wo die Sehne fasst 
Des Bolzes tödlich schwere Last, 
Da schürzt, dass nicht im Schuss sie 
springe, 
Zum Knoten er die Doppelschlinge. 
Und als die Spannung wohl voll—⸗ 
bracht, 
140 Die Sehne schnellt er nun mit 
Macht; 
Laut wie der Harfe höchste Saite 
Erklang der schneid'ge Ton ins Weite. 
Nun aus dem Köcher nimmt er Bolze, 
Geschnitzt aus festem Eichenholze; 
Er wählt den glättesten, der scharf 
Gekantet blanke Lichter warf. 
Und wie er alles wohl erprobt, 
Mit Lächeln er das Schießzeug lobt. 
Er setzt den Bogen vor die Brust, 
150 Er spannt ihn leicht mit stolzer Lust, 
Und staunend sahn die Schützen an 
Den starken Arm beim zarten Mann. 
145 
Wild blitzt sein Aug', aufs Ziel ge— 
wandt, 
Als wollt' er's sengen mit dem Brand; 
Doch bändigt er des Herzens Wellen, 15* 
Die hoch in Siegeshoffnung schwellen, 
Er kühlt sich den entflammten Sinn, 
Klar, fest und stille schaut er hin; 
Er drückt, — der Bügel mächtig klingt, 
Laut schwirrend sich die Sehne 160 
schwingt, 
Es saust der Bolz, — er hat ge— 
troffen! 
Da stand mit weiter Spalte offen 
Des Försters Bolz, ihn schnitt ins 
Mark 
Des Jünglings Schuss gerecht und 
stark. 
Der Herold tritt zum Scheibenhaus, 165 
Er zieht die Bolze beid' heraus 
Und legt sie in des Grafen Hand, 
Der staunend ob dem Wunder stand. 
Des Försters Bolz war ganz zer— 
schmettert, 
Bleich einer Rose aufgeblättert, 170 
Es saß darin der zweite Bolz 
Fest eingekeilt ins harte Holz, 
Und war hinfort kein Zweifel dran, 
Wer hier den Meisterschuss gethan. 
Gustav Frenytag. 
289. Das Kampffspiel. 
Der Fürst stand vor dem Herrenhause und empfieng dort die 
Edlen und die freien Bauern, welche auf allen Wegen zu Fuß und 
Ross heranzogen und am geöffneten Thore von Hildebrand, dem 
Sprecher, begrüßt wurden. Wer zu Ross nahte, der stieg dort ab, 
und die Jungen führten sein Pferd in ein weites Gehege und banden 
es fest, damit die Knechte ihm den Schaum mit Stroh abrieben und 
alten Hafer in die Krippe schütteten. Würdig war Gruß und An— 
rede; in weitem Ringe standen die Gäste auf dem Hofe, eine stolze 
Gesellschaft, ansehnliche Männer aus zwanzig Dörfern der Gegend, 
alle in ihrem Kriegsschmucke, den Eschenspeer in der Hand, Schwert 
und Dolch an der Seite, in schöner Lederkappe, die mit Zähnen und
	        
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