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Anthropogeographie. 
Der Mensch wird als ein Sohn der Erde in seiner körperlichen Ausbildung 
und auch in anderen Beziehungen von den äußeren Bedingungen seines Wohnortes 
beeinflußt. Doch ist dieser Einfluß noch nicht vollständig aufgeklärt und nament¬ 
lich sind einige landläufige Bemerkungen nicht richtig, wonach etwa der Südländer 
seine heitere Gemütsart dem heiteren Himmel verdankt, der über seiner sonnigen 
Heimat lacht, oder wonach die Größe der Menschen und ihre Hautfarbe von der 
geographischen Breite oder von der Sonnenbestrahlung abhängt. Denn kein Volk 
der Erde ist vielleicht mehr zu Spiel und Scherz, zu Frohsinn und Schabernack 
aufgelegt als die Eskimos, die doch einen großen Teil des Jahres in ihren Höhlen 
vergraben oder von wilden Schneestürmen umbraust leben müssen. Und anderseits 
lacht ein italischer Himmel auch über den Steppen von Nordamerika, aber das 
ruhige, abgemessene Wesen des Indianers erinnert nicht im geringsten an die 
sorglose Art des Südeuropäers. Unter dem Äquator leben Zwergvölker und die 
am weitesten nach S. wohnenden Indianei, die Patagonier, gehören zu den größten 
Menschenstämmen. Gerade unter dem Äquator finden sich außerdem in Asien 
Völker mit ganz heller Hautfarbe. So läßt sich eine ganze Reihe von Beispielen 
sagen, die das Gegenteil der landläufigen Auffassung beweisen. 
Und doch ist der Mensch von seinem Wohnort abhängig. Im intensiven 
Lichte des Hochgebirges dunkelt die Haut, in der dünnen Luft der Höhen wird 
die Brust breiter, in der Steppe, wo die Sonne fortwährend blendet, entsteht eine 
Verzerrung des Gesichtes und infolge der dörrenden Luft eine Runzelung der Haut. 
Das heißfeuchte Klima der Tropen verlangt eine angestrengtere Tätigkeit der 
Leber als der Lunge und deshalb ist dort das arterielle Blut reicher an Kohlenstoff, 
während umgekehrt das Klima höherer Breiten eine kräftige Lungentätigkeit 
erheischt, um durch die Oxydation von möglichst vielem Kohlenstoff im Blute 
die Wärme auf der erforderlichen Mittelhöhe von 37° zu erhalten. 
Zunächst wird der Mensch bezüglich der Wahl seines Wohnplatzes durch 
die Erde beeinflußt, denn er ist ein an das Land gebundenes Geschöpf und muß 
vor den Unbilden der Witterung sowie vor den Verfolgungen wilder Tiere Schutz 
finden. Demnach machten die Menschen auf ihrer Suche nach Wohnplätzen 
Halt am Meere; sie waren aber auch an die Nähe von trinkbarem Wasser gebunden 
und außerdem durch übermäßige Hitze oder Kälte, übermäßige Dürre oder Nässe, 
kurz, durch irgend ein Ubermaß eines wichtigeren klimatischen Faktors in der 
Wahl ihrer dauernden Niederlassung beschränkt. So entstanden nur wenige Typen 
von Siedlungen, die wir auf die Grundformen zurückführen können, daß der 
Mensch am Strande oder im Binnenlande, im Flachlande oder im Berglande, 
im Waldgebiet oder im Steppengebiet lebt. 
Die Bewohner des Strandes haben die Annehmlichkeit, daß sie in dem Meere 
eine natürliche Grenze besitzen, daß das Meer ihnen Schutz vor den Nachstellungen 
von Mensch und Tier gewährt, und dies Gefühl der Sicherheit wirkt auf den 
Charakter der Menschen ein. Zugleich verbindet das Meer die Völker und gewährt 
selbst kleinen Staaten die Möglichkeit, sich zu großen Handelsmächten empor¬ 
zuschwingen. Wo küstennahe Inseln, sichtbare Landesteile oder der Fischfang 
dazu reizte, wagte man sich auf das Wasser und so entwickelten sich die Phönizier, 
die Norweger, die Dalmatiner an ihrer inselreichen Küste zu guten Schiffern, 
während an der insellosen Küste von Westafrika niemals eine rechte Schiffahrt
	        
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