Full text: Zweites Lesebuch für die Oberstufe (Teil 6, [Schülerband])

112 
D. Arbeit und Erwerb. 
aus, die seit undenklichen Zeiten feststehn, 2. B. durch Grobheit, 
Prũgelsucht, Prozebkrämerei u. del. — In einem Dorfe am Taunus, 
dessen Insassen seit Menschengedenken wegen der beiden erst— 
nant?en Tugenden berũlint waren, hatten die Schultheiten den 
Is historisch gewordenen Braueh, bei Schlägereien die 
Andigsten nieht in das Ortsgefangnis, sondern zur Ver— 
s-härfung der Strafe in ihren Schweinestall zu sperren. In neuerer 
Zeit aber übertrug die Regierung, um der Roheit der Gemeinde 
zu steuern, einem „aufgeklärfen‘ Manne das Schultheißenamt, der 
dann aueh jene eigenartige Strafverschârfung sofort abstelltè. Dem 
ganzen Dorfe gefiel aber diese unerbetene Neuerung des Gefungnis- 
wesens so schlecht, daß es sieh mit dem Ersuchen an die Be— 
hörden wandte, man möge ihnen wieder einen „kräftigen“ Mann 
zum Schultheiben geben, der auch nach Recht und Gerechtigkeit, 
„wie es vordem geschehen“, zu strafen den Mut habe. Der Schullt- 
heib, weleher den Schweinestall abgeschafft hatte, konnte nie zu 
rechtem Ansehen gelangen; denn der Schweinestall war im Dorfe 
ebenso histforisch wie die Grobheit und Prügelsucht der Bewohner. 
Dies hat sich noch im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts 
zugetragen. 
L6 
86. Deutsche Bauernhäuser. 
1. Wer das Deutsche Reieh durchwandert, kann in Beziehung 
auf Anlage und Bau besonders der ländliehen Ortschaften gar 
manche Verschiedenheit wahrnehmen. In Nordwestdeutschland 
liegen die Bauernhõôfe meist vereinzelt; im ũbrigen Teile des Reiches 
bilden sie gewöhnlich geschlossene Dörfer. In Gebirgsgegenden 
hat man manchmal die Höhen, weit öfter aber die Thäler bei 
Anlage der Ortschaften bevorzugt. Oft sind die Häuser eng bei 
einander erbaut, off duren Gärten getrennt. Hier ordnen sie 
sieh zu Längs- und Querstraben, dort stehen sie regellos verstreut. 
Aueh die Bauart der Hàuser stinunt durchaus nicht überein. 
2. Das westfälisehe oder sächsisehe Haus vereinigt 
Menschen, Viehstand und Vorräte unter einem Dache um dlie 
Diele oder Tenne. Letztere ist vom Giebel aus durch ein grobes 
Linfahrtsthor zugünglich und reicht bis zu den an der entgegen- 
gesetzten Seite liegenden Wohnräumen; auf ihr werden alle im 
Aause und in der Wirtschaft nötigen Arbeiten verrichtet. Zu 
beiden Seiten der Diele stehen die Pferde und Kũühe; ũber ihr ist 
bis zum Dachfixst hinauf die Getreide- und Heuernte aufgespeichert.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.