Full text: [2. grado] (2. grado)

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Einleitung. 
dem Streit der Nationalitäten, in den derselbe eingriff, ein Ende gemacht hat, 
anerkannt und gehandhabt wurde. Dabei konnte die eigentümliche Entwickelung 
der Nationen nicht fortschreiten. Das Regiment des Königs erschien überall 
als eine Fremdherrschaft. Die Perser begnügten sich nicht mit einem zweifel¬ 
haften Tribut, wie die Assyrer; die Abhängigkeit wurde durch eine bestimmte 
Schatzung ausgesprochen. Aber die alten nationalen Selbständigkeiten wurden 
doch auch nicht geradezu unterdrückt. Noch gab es Völkerschaften, welche ihre 
angestammten Oberhäupter behielten oder überhaupt zu feinem Gehorsam zu 
bringen waren; man lag mit ihnen häufig in Fehde, duldete aber gern oder 
ungern ihre Existenz. 
Babylon blieb die Hauptstätte des Gottesdienstes und des Handels, die 
es von jeher gewesen war. In der Stadt der Lilien, Schüschan (Susa), war 
die vornehmste Residenz der Könige. In der Mitte von Iran, in Persien, 
der Heimat des Stammes und Volkes, hat sich Darius eine prächtige Königs¬ 
burg gegründet, deren Ruinen durch ihr Quadergefüge und die benachbarten 
Königsgräber an die ägyptischen Bauwerke erinnern: Persepolis. Auf breiten 
Stufen, die aus ungeheuren Marmorblöcken auf das sorgfältigste gearbeitet 
sind, ersteigt man die erste Terrasse, deren Eingang mit den wunderbaren 
Tiergestalten der iranischen Mythologie verziert ist, dem Einhorn, dem Symbol 
der Stärke, dem geflügelten Löwen, der, mit dem Diadem geziert, die unwider¬ 
stehliche Kraft des Königtums verfiunbildet. Auf der zweiten Terrasse ist der 
König abgebildet, wie er einem Gesandten Audienz erteilt. Hinter ihm steht 
ein Sklave mit verhülltem Munde und mit dem Fliegenwedel. Der Gesandte 
erscheint in ehrerbietiger Stellung, auch mit der Hand vor dem Munde, damit 
sein Odem den König nicht berühre. Was diesem prächtigen Monument des 
alten Völkerkönigtums — voll von Würde, phantastisch und groß — aber noch 
hohem Wert giebt, als die Säulen und Reliefs, das sind die Inschriften daselbst. 
Sie zählen die Länder auf, welche der König außer Persien regiert; da 
erscheinen auch die „flechtentragenden" Ionier. „Ich beherrsche sie", sagt der 
König, „sie bringen mir Tribut; was ich ihnen befehle, das thun sie; mein 
Gesetz wird gehalten." — „Auramazda übergab mir diese Länder, als er sie im 
Ausruhr sah, und verlieh mir über sie die Herrschaft; durch die Gnade Auramazdas 
habe ich sie wiederum geordnet." Abermals betont er dann die Tapferkeit der 
Perser, durch welche es soweit gekommen sei. „Wenn du fragst, wie viele 
waren der Länder, die König Darius regierte, so sieh das Bild derer an, welche 
meinen Thron tragen, auf daß du sie kennst. Alsdann wirst du wissen, daß 
die Lanze des persischen Mannes weit vorgedrungen ist, daß der persische 
Mann Schlachten geschlagen hat fern von Persien." 
Mit diesem selbstbewußten Persertum sollte bald genug das europäische 
Hellenentum in entscheidendem Kampfe sich messen. 
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